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Ökumene in Achern
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wovon aber dem Pfarramts bisher nicht die mindeste Anzeige vom Vater
gemacht worden." Am Sonntag, den 28. Dezember 1845, sprach „im Rich-
ter'schen Gasthaus" der deutsch-katholische12 Prediger Gottfried
Scheibel.13 Die anwesenden mehr als 40 Männer beschlossen, „einen Verein
zu gründen, um sich mit den Grundsätzen des Deutschkatholizismus
bekannt zu machen."14
Anfeindungen erschütterten Andreas Martins Weitherzigkeit nicht. Für
sie gab es viele Beispiele. - Als 1846/47 eine Hungersnot das Großherzogtum
heimsuchte, richtete er eine Suppenküche für die Armen ein. Otto
Hörth15 berichtete: „Er war Vertrauensmann der ganzen Gemeinde. Manch
einen sah ich betrübt und gedrückt in den Pfarrhof gehen und heiter und
vergnügt heraus kommen. Auch die Protestanten fanden den Weg zum katholischen
Stadtpfarrer."16 - Andreas Martin ließ am 26. November 1848
die Glocken für Robert Blum17 läuten,18 obwohl dieser Deutschkatholik
geworden war. - Andreas Martin geleitete einen preußischen Soldaten, der
sich im Pfarrhof das Leben nahm, zu Grab und trug am 19. April 1850 ins
Sterbebuch der Pfarrei „Unserer lieben Frau" ein: „Dahier gestorben ist
(hat sich selbst erschossen) Johann Leisring, ev., 25 Jahre weniger 9 Tage,
gebürtig zu Spandau, Regierungsbezirk Potsdam, Musketier der 8. Kompanie
des 24. Preußischen Infanterie-Regiments. Begraben wurde er in
Gegenwart des Unterzeichneten, am 21. April, früh 6 Uhr."
Maßgebend für kirchliche Belange waren und blieben die dem Ministerium
des Innern unterstellten Oberkirchenräte. Hermann von Vicari,19 1842
zum Erzbischof von Freiburg ernannt, widersetzte sich staatlicher Bevormundung
. Als am 24. April 1852 Großherzog Leopold starb und der katholische
Oberkirchenrat für den protestantischen Fürsten ein Seelenamt anordnete
, genehmigte Hermann von Vikari den Priestern nur eine Predigtfeier
. Zwischen Staat und Kirche kam es daraufhin zu offener Auseinandersetzung
. Der Erzbischof exkommunizierte den Oberkirchenrat. Ernst
Fink, dem am guten Einvernehmen zwischen den Konfessionen viel lag,
war von Vikaris Vorgehen befremdet.20 Am 16. Juli 1853 stellte der Erzbischof
der großherzoglichen Regierung ein Ultimatum. Sein Hirtenbrief
wurde an den Gendarmen vorbei den Gemeinden überbracht. Die Regierung
sperrte das Gehalt der Pfarrer und ließ Hermann v. Vikari am 22. Mai
1854 verhaften. In ganz Baden verstummten Glocken und Orgeln.
Besonnene Menschen versuchten die gespannte Lage zu entschärfen
und das Verhältnis des Großherzogtums zur katholischen Kirche durch
eine Übereinkunft mit dem Vatikan zu regeln. Als die Nachricht von Konkordats
-Verhandlungen durchs Land ging, entstand noch größere Unruhe.
Am 22. April 1857 schrieb der sonst um religiösen Frieden so bemühte
Christian Roller an Carl Ulimann,21 den Direktor des Evangelischen Oberkirchenrats
: „Ich kann überhaupt nicht begreifen, warum eine protestantische
Regierung dem Papste Zugeständnisse machen mag. Für Baden und
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