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Leutesheim und Regine Jolberg
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Merkwürdig wenig, fast gar nicht, sprechen die Biographen von Friederike
Fink.32 Sie konnte bei dem Getümmel im Pfarrhaus und darum herum
sicher auch keine Ruhe finden. Ihr Mann hatte für seine Frau wenig Zeit.
Zu allem, was ihm oblag, übernahm er den Unterricht für Regine Jolbergs
Kinder. Am 9. September genas Friederike Fink einer Tochter, die, sieben
Wochen alt, am 23. Oktober starb. Es ist nicht anders denkbar, als dass diese
Vorgänge tief in das persönliche und das Eheleben der Pfarrfrau einschnitten
.
Das unvorhergesehene Kommen Regine Jolbergs, ihr bestimmendes
Auftreten, lassen einen Charakterzug erkennen, den sie selbst später sehr
kritisch sah: ihren starken Willen. Was sie sich vornahm, das musste geschehen
. Ernst und Friederike Fink waren darauf bedacht, in gutem Einvernehmen
mit den Eltern zu handeln. Regine Jolberg aber handelte so, wie
sie es für richtig befand. „Da die Kinder ja nach dem jetzigen Zeitgeist in
der Erziehung meistens die Hauptstimme haben, so müssen wir nur die
Kinder anziehen, die Eltern müssen schon folgen."33
Martin Gottlieb Wilhelm Brandt,34 Regine Jolbergs Schwiegersohn und
spätere Biograph,35 nannte die beiden Jahre gemeinsamen Wirkens mit
Ernst und Friederike Fink „eine lieblich stille, wenn auch mit Arbeits-Last
wie -Lust und manchem Scherz durchwobene Zeit".36 Finks „auf den Boden
der Wahrheit gegründete vermittelnde37 Stellung, bei der ihm Schroffheit
und schneidende Schärfe fremd und zuwider waren, wussten der
Freundin das zu geben, was ihr gerade jetzt Not tat." Im Frühjahr 1842
baten Dr. Christian Roller und seine Frau Christiane38 die Leutesheimer
Pfarrersleute um ihre Hilfe beim inneren Aufbau der Heil- und Pflegeanstalt
Rienau.39 Nach reiflichem Überlegen sagten sie zu.
Die für den 4. Dezember 1842 vorgesehene Visitation der Gemeinde
Leutesheim fiel zusammen mit dem Abschied der Pfarrersleute aus dem
Dorf. Ernst Finks Bericht gab Rechenschaft über neun ebenso schöne wie
schwere Jahre. Nach dem letzten Gottesdienst in der übervollen Kirche traf
sich die Visitationskommission mit dem Kirchengemeinderat im Pfarrhaus.
Das Protokoll hielt in einem letzten Absatz fest: „Am Schluss der Besprechung
gibt der K.G. Rat in Bezug auf Pfr. Fink seine Erklärung dahin ab,
dass sie ihm das beste Zeugnis geben müssten und dass sie ihm nie genug
danken könnten für das, was er an ihnen getan."40
Finks und seiner Frau Abschied kam überraschend. Regine Jolberg hielt
fest: „Es war nie sein Plan noch Wunsch, so bald zu scheiden von dem Ort,
an dem er zwar einen harten Boden für seine Wirksamkeit gefunden, aber
doch viel Segen verbreitete. Nun waren alle Umstände so gekommen, dass
wir es als den Willen Gottes ansehen mussten, und damit ist alles gesagt
."41 Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätten sich Ernst
und Friederike Fink aus dem Bann der starken Persönlichkeit Regine Jolbergs
lösen, ja retten wollen. Am Mittwoch, den 7. Dezember 1842, hielt
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