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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 449
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Faszinosum, Filou und Forschungsobjekt: Das erstaunliche Leben des Hellsehers Ludwig Kahn 449

sen zu sein, da Vater, Sohn und Tochter teilnahmen. Erforscht man in dieser
Weise derartige Phänomene?"82

Die Zielscheibe für Molls Kritik war somit weniger Kahn selbst, für
dessen Schläue er einige Sympathie aufbringen konnte.83 Vielmehr gerieten
die Wissenschaftler, die ihn untersuchten, in sein Visier. Diesen warf
Moll eine „erhebliche Kritiklosigkeit" sowie „ihren Mangel an Begabung
für Experimente"84 vor. Besonders Nobelpreisträger Richet wurde zum
Adressaten seiner beißenden Häme. Auch dieser, dem es alle zugute halten
würden, beherrsche offenbar „die wissenschaftliche Methodik nicht."85

Charles Richet, inzwischen Emeritus, kam nicht umhin, sich energisch
gegen Molls Polemik zu wehren.86 Diesem hielt er in der Zeitschrift für
Parapsychologie entgegen, dass seine Position die der Voreingenommenheit
wäre und Moll zwar einen Taschenspielertrick Kahns konstatiere, diesen im
Detail zu beweisen aber nicht imstande sei. Zudem könne er sich gar keine
Meinung erlauben, da er nicht direkt bei den Experimenten dabei gewesen
wäre. Richet wies noch einmal darauf hin, dass Kahn bei vielen Versuchen
die gefalteten Zettel zu keinem Zeitpunkt berührt hätte und deshalb keine
Vertauschaktionen durchführen konnte. Besonders seine eigenen Versuche
unter vier Augen mit Kahn hielt er für völlig abgesichert. Auch an dieser
Stelle bekam der Faktor der Augenzeugenschaft Relevanz. Für Richet war
es schleierhaft, dass Moll seine Angaben und die seiner Pariser Kollegen
nicht ernst zu nehmen gedachte, und fühlte sich demzufolge in seiner Ehre
als genau beobachtender Wissenschaftler gekränkt: „Was können wir mehr
sagen? Wir beteuern es, und um uns zu widersprechen, muß man annehmen
, daß wir Betrogene, d.h. daß wir Schwachköpfe sind."87

Unterstützung für Richet kam aus Tübingen von Traugott Konstantin
Oesterreich, der zwischenzeitlich mit einigen wichtigen Arbeiten zur Parapsychologie
hervorgetreten war. Oesterreich bekräftigte, nun endlich seien
die Experimente erfolgt, die er schon ein Jahrzehnt zuvor gefordert hatte;
dabei sei „in Praxis in evidenter Weise bestätigt worden", was er selbst
schon vermutet hatte, nämlich die paranormalen Fähigkeiten des Mediums
Ludwig Kahn.88 Beide, Richet und Oesterreich, gründeten ihre Position
darauf, dass die Protokolle und Versuchsanordnungen so sicher gewesen
seien, dass eine Täuschung eigentlich auszuschließen sei.

Das „Forschungsobjekt Kahn" geriet erneut zu einem Streitfall ersten
Ranges, wobei in diesen Konflikten die persönlichen Einstellungen der jeweiligen
Kontrahenten wohl schwerer wiegten als die verhandelte Sache
selbst. Der Ton der Auseinandersetzung über die Existenz und den Charakter
außergewöhnlicher Phänomene nahm in den 1920er Jahren merklich an
Schärfe zu. Die Debatte um die hellseherischen Fähigkeiten Ludwig Kahns
war hier nur einer von vielen Konfliktherden.89

Einem ausgesprochenen Skeptiker wie Albert Moll lieferte der Fall eine
neuerliche Gelegenheit, sich von den von ihm spöttisch als „Okkultisten"


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