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Eugen Hillenbrand
ausgewachsenes Schwein, Brot von sieben Sester Weizen, ein Ohm (150 1)
Wein, dazu Futter für sechs Pferde und ein Maultier; zu den übrigen Terminen
erhielt er etwas weniger und anstelle des Schweins ein Schaf oder
Fische. Bei den anderen Gerichten innerhalb der Klosterherrschaft wurden
die Einnahmen formal zugeteilt: zwei Drittel dem Abt, ein Drittel dem
Richter.
Zu den Ad-hoc-Einnahmen des Vogtes kamen die regelmäßigen Bezüge
über die Vogtsteuer. Sie wurde, wie schon erwähnt, nicht eingefordert von
all denen, die unmittelbar zu einem Klosterhof gehörten. Zum Ausgleich
scheint mir die Abtei 1275 ein Angebot gemacht zu haben. Da ist nämlich
die Rede von „den neuen Gütern, die da verdinget wurden". Ich möchte es
übersetzen mit: „die dem Gericht (= Ding) übertragen wurden". Demnach
gab das Kloster bestimmte Güter an die Vogteien ab, umso das Gerichtswesen
funktionsfähig zu halten.
Ich sehe darin die Grundlage für die berühmte Aktion, mit der Kaiser
Ludwig der Bayer im August 1330 die Verpfändungswelle von Ortenauer
Reichsgut eingeleitet und das Harmersbachtal zum „freien Reichstal" gemacht
hat.33 Er versetzte nämlich dem Enkel jenes Grafen Heinrich von
Fürstenberg, der 1275 die Versammlung in Gengenbach geleitet hat, namentlich
genannte Güter am unteren Harmersbach; er solle sie „inne haben
in pfandes weiz und niezzen an eins reichs statt mit allen nuzen, rechten,
eren, zugehoerden und gewonheitten ". Nur von Einzelgütern ist die Rede,
nicht vom ganzen Harmersbachtal, zu dessen Gerichtsbezirk sie gehörten.
Um diesen Verpfändungsvorgang zu erklären, verweist die Forschung
auf einen Artikel der Urkunden von 1331: „Falls ein Kaiser oder König aus
der Vogtei, die seit alter Zeit zu Ortenberg gehört, eine Stadt oder ein Dorf
oder ein Tal herausbräche und das Vogtrecht versetzte, wer immer dann
dort Vogt wäre, der soll dem Abt von Gengenbach schwören, des Klosters
Recht zu achten."34 Vogtei meint hier nicht den Raum der Landvogtei Or-
tenau, sondern eine Funktion dieser Verwaltungseinheit, eben die Gerichtsherrschaft
, die lokal ausgeübt wird. Zur Ausstattung des Gerichtes gehörten
jene „verdingten Güter", von denen das Kloster selbst keine Abgaben
mehr bezog. Stutzt man „das freie Reichstal" auf dieses kleinere Format
zurück, dann lässt sich auch leicht die Adresse erklären, an die sich der
Fürstenberger wandte, als er 1363 zugunsten des Straßburger Bischofs auf
die Pfandschaft verzichtete. Er teilte seine Entscheidung „ dem vogete, den
gesworn und der gemeinde des tales zu Hademarsbach" mit.35
Das dritte Konfliktfeld ist damit angesprochen: die bäuerliche Gemeinde
. In der Adresse erscheint sie als Gerichtsgemeinde, die sich im
Tal gebildet hatte. Üblicherweise verbinden wir mit dem Gemeindebegriff
drei Aspekte: ein Personenverband, dessen lokale Begrenzung und dessen
Recht auf selbstständige und eigenverantwortliche Verwaltung der örtlichen
Angelegenheiten. In einer Zeit, die immer mehr den rundum ver-
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