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Frank Schräder
Demnach handelte es sich hier nicht um Bredelins Singspiel, da in diesem
nur sechs Ehepaare zur Mühle kommen. In Elzach führten die Narren nach
mündlicher Überlieferung ebenfalls ein Fasnetspiel „Die Altweibermühle"
auf; schriftliche Zeugnisse dafür wurden bislang nicht gefunden.48 Um
1928 stellten die Elzacher auf einem Fasnetwagen ein „Verjüngungsinstitut
" dar.
Franz Disch schreibt in seiner Chronik der Stadt Zell a.H., dass dort die
Weibermühle aufgeführt worden sei.49 Das ist möglicherweise ein Irrtum,
da sich eine Aufführung in Zell a.H. in anderen Quellen nicht nachweisen
lässt.50 Vielleicht ergänzte Disch die Liste der Zeller Fasnetspiele um Titel,
die er schon in seiner Wolfacher Chronik genannt hatte,51 denn es gibt viele
Stellen in seiner Zeller Chronik, deren Formulierung er aus der Wolfacher
Chronik übernommen hat. Allerdings ist eine Aufführung der Weibermühle
Bredelins in Zell nicht undenkbar, denn dort amtete Bredelins Stiefsohn
Fidel Knupfer als Provisor,52 der das Spiel von seinem Stiefvater
übernommen haben könnte.
In Bredelins Weibermühle trägt der Müllermeister den Namen „Cyprian
". Diesen Namen wählte er vermutlich ganz bewusst, denn er bezieht
sich damit auf eine alte Sagengestalt. Der heilige Cyprian von Antiochien
(nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bischof von Karthago) war
einst ein berühmter Zauberer, bevor er zum Christentum bekehrt und Bischof
wurde,53 In der „Cyprianlegende spielen die Zauberkunst des Heiligen
und seine Verbindung mit Dämonen eine große Rolle. Mit deren Hilfe
versuchte er, die christliche Justina, die Tochter eines Götzenpriesters, für
einen vornehmen Jüngling zu gewinnen, doch vergebens".54 In Sagen der
Volksüberlieferung hat Cyprians Zauberbuch eine besondere Bedeutung,
das mit blutroten Buchstaben geschrieben sein soll. Wegen seiner Macht
über Dämonen wird der Heilige in mehreren Zaubersprüchen und Segen
erwähnt. Im 19. Jahrhundert griff auch Theodor Storm diese alten Überlieferungen
in seiner Erzählung „Der Spiegel des Cyprianus" auf:55
Ihr wisset wohl, gnädige Gräfin, daß der Name Cyprianus später im
ganzen Norden als eines mächtigen Zauberers bekannt geworden ist. Die
Bücher, die er geschrieben, hat man nach seinem Tode in dem unterirdischen
Gewölbe eines Schlosses an Ketten gelegt, weil man geglaubt hat, es
seien böse, das Heil der Seele gefährdende Dinge darin enthalten. Aber die
das getan, haben sich geirrt, oder sie sind selbst nicht reinen Herzens gewesen
; denn - wie Cyprianus während seines Aufenthalts in diesem Hause
oft gesagt haben soll — „die Kräfte der Natur sind niemals böse in gerechter
Hand".
Da mutet es fast wie eine Ironie der Geschichte an, dass Bredelins Spiel
über des Müllermeister Cyprians Weibermühle ein ähnliches Schicksal ereilte
wie Cyprians Zauberbuch und nach der Aufführung von 1892 über
80 Jahre lang nicht mehr in Wolfach zu sehen war. Denn in jenem Jahr
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