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Gerhard Lötsch
wenigstens dieses Fach studieren und ersucht Dich und Deinen Mann, sich
baldigst in den dortigen Buchhandlungen zu erkundigen, oh in neuerer Zeit
nicht Werke über die Fabrikation dieses Artikels erschienen sind, und dann
das beste übersenden.
Wenn hier vom Schicksal Acherner Revolutionäre die Rede ist, muss
deutlich werden, wofür diese Männer eintraten. Am 31. März 1848 brachte
Gustav Struve seine „Rechte des deutschen Volkes" im Frankfurter „Vorparlament
" zur Abstimmung. Die Abgeordneten lehnten sie mit großer
Mehrheit ab. Zwei Tage später, am 2. April 1848, auf der ersten Acherner
Volksversammlung, rief Josef Fickler die dort versammelten 12- bis 15.000
Menschen auf, für die „Rechte des deutschen Volkes" einzutreten, und
zwar „mit Gut und Blut".
Die 15 Punkte der „Rechte des deutschen Volkes" lassen sich in drei
„Gruppen" gliedern:40 - Die „sozialen" Forderungen betrafen: Volkswehr
statt stehendem Heer; Verwaltung durch gewählte Volksmänner statt durch
Berufsbeamte; progressive Einkommen- und Vermögensteuer statt drückender
Abgaben; Schutzzölle für Handel, Landwirtschaft und Industrie;
Abschaffung aller Standesvorrechte; Ausgleich des Gegensatzes zwischen
Arbeit und Kapital. - Die „konstitutionellen" Forderungen rührten an die
geltenden Verfassungen: Trennung von Staat und Kirche; Trennung von
Kirche und Schule; Selbstverwaltung der Gemeinden; freie Wahl der Lehrer
, Bürgermeister und Geistlichen; volle Pressefreiheit; Schwurgerichte;
Vereinheitlichung von Gesetzen, Münzen und Maßen, von Post und Eisenbahn
. - Die „nationalen" Forderungen forderten, Deutschlands Zerrissenheit
aufzuheben, die erbliche Monarchie abzuschaffen, sie durch frei gewählte
Parlamente mit frei gewählten Präsidenten zu ersetzen und diese in
einer föderativen Bundesverfassung, „nach dem Muster der nordamerikanischen
Freistaaten", zu vereinen.
Franz Peter, Handelsmann und Gemeinderat, war 37 Jahre alt, als die
Revolutionäre ihn am 18. Juni 1849 zum Stellvertreter des „Zivilkommissärs
" Habich bestimmten.41 Als die geschlagenen Revolutionäre in haltloser
Flucht durch Achern strömten, ging er ins Exil. Seine Briefe aus Straßburg
, Nancy, Paris, Le Havre und New York blieben erhalten.42 Er sorgte
sich um das Ergehen seiner Frau Therese und vier kleiner Kinder.43 Er
schrieb auf, was man ihm mitbringen sollte, wenn man ihn in Straßburg
besuchte. Er bedachte den Fortgang der Geschäfte in Achern und suchte
Mittel und Wege, zumindest seiner Frau Vermögen vor staatlichem Zugriff
zu retten. Immer wieder sprach er von seiner und der Freunde rechtloser
Lage 44
Am 25. Oktober 1849 trat Carl Hippmann seinen Dienst als Amtmann
in Achern an. Therese Peter teilte ihrem Mann mit, dass von ihm kein anderes
als unerbittliches Vorgehen zu erwarten sei. Franz Peter antwortete
am 30. Oktober: Dein letzter Brief handelt von keinem angenehmen
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