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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 77
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Die Evakuierung Straßburgs 1939

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von 5-8 km entlang des Rheines zu räumen, Straßburg inbegriffen, und
zwar innerhalb von 48 Stunden: Vom 2.9. morgens bis zum folgenden Tag
abends mussten demnach mehr als 600.000 Bewohner, d. h. ein Drittel der
Elsässischen Bevölkerung aus rund 500 Dörfern und Städten beim Läuten
der Sturmglocke ihre Häuser, ihr Vieh, ihre Ernte verlassen, lediglich
30 kg Gepäck und Verpflegung für vier Tage durfte mitgenommen werden
(s. Tabelle 3).

Für die Lothringer waren Orte in den Departements Vienne und Cha-
rentes das endgültige Ziel, für die Oberelsässer in den Departements
Gers, Lot-et-Garonne und Les Landes, für die Unterelsässer, darunter die
Straßburger, die Departements Dordogne, Haute-Vienne und Indre (siehe
Karte).

Sofort wurden die verschiedenen Polizeireviere abgesperrt, die Einwohner
begaben sich zu Fuß zu den entsprechenden Bahnhöfen oder mit dem
Fahrrad bzw. Auto auf die vorgeschriebenen Straßenrouten. Die Evakuierung
verlief im Großen und Ganzen reibungslos; der wiederholt korrigierte
und ergänzte Evakuierungsplan funktionierte wie vorgesehen, jedenfalls
die erste Etappe von Straßburg bis zu den Sammelstellen. Sogar die militärischen
Stellen mussten zugestehen, dass die Zivilisten - meist Frauen,
Kinder und Ältere - auf ihrem Fußmarsch die Disziplin einer Militärkolonne
hatten. Einige Probleme und Streitigkeiten, hervorgerufen durch undiszipliniertes
Verhalten einiger weniger, spielten demgegenüber keine Rolle.

Was nicht in den Quellen steht, war die gedrückte Stimmung unter den
Flüchtenden, die nach Augenzeugen in den Gesichtern der Menschen dieser
traurigen Prozession deutlich abzulesen war, mussten sie sich doch
innerhalb von 48 Stunden mit 30 kg Gepäck auf den langen Weg machen
und ihr Hab und Gut zurücklassen. Festzuhalten aber bleibt: Diese vorbereitete
Räumung verlief viel besser als später die Flucht der Belgier und
Nordfranzosen vor der anrückenden Wehrmacht im Juni 1940 oder der
deutschen Bevölkerung im Osten vor der Roten Armee 1944/1945.

Was aber sollte mit den großen Benzinlagern im Straßburger Hafen
geschehen? Ihre sofortige Zerstörung hätte zur Katastrophe, ein Großbrand
während der Räumung zur Panik unter der Bevölkerung führen
können. Der kommandierende General der 5. Armee Bourret weigerte
sich, eine Zerstörung vorzunehmen, es sei denn, er bekäme von höchster
Stelle einen schriftlichen Befehl dazu. Im Marschbuch seiner Armee steht
unter dem 5.9.39: „ 10.000 Tonnen Benzin lagern im Hafengebiet. In erster
Linie muss auf die Evakuierung der Bevölkerung geachtet werden, in
zweiter Linie ein Großbrand des Hafens vermieden werden; für die Moral
des Landes und der Armee ist dies besonders wichtig." Und unter dem
Datum vom 16.9. steht darin zu lesen: „Evakuierung von 12.000 Tonnen
Benzin und Entgasung der Behälter ist beendet; keine Explosionsgefahr
mehr".


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