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Frank Flechtmann
alstr. 1-3, von russischem Militär verhaftet und weggeschafft worden. Zum
Vorgang ist folgendes zu sagen: Hans B. war vor der Machtübernahme
nach seinen Angaben Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes.
Nach dem Umsturz trat er - mit bestimmten Aufgaben - in die SS ein und
versah im Laufe seiner Tätigkeit auch Dienst als Wachtposten im berüchtigten
Columbiahaus in Berlin. Dortselbst entführte er mittels Kraftwagen
Ostern 1935 zwei inhaftierte Kommunisten in die Tschechoslowakei. Er
selbst ging daraufhin selbstverständlich auch in die Emigration. Später
wurde er verhaftet und wegen Gefangenenbefreiung zu mehreren Jahren
Zuchthaus verurteilt.
Nach Abbüssung der Strafe kam er in das KZ. Sachsenhausen. Dort
wurde er bald von früheren für ihn ehemaligen „Kameraden" erkannt und
die Folge war, dass er die schwerste Arbeit im Lager ausführen musste. Im
Jahre 1941 kam er dann ins KZ. Natzweiler i. Elsass. Hier verblieb er bis
1944, wo er entlassen wurde.
Im Personalfragebogen verschwieg er aus taktischen Gründen seine
ehemalige Zugehörigkeit zur SS, was ihm zum Verhängnis wurde.
Da mir Hans Bächle aus Sachsenhausen als ein wirklich einwandfreier
Kamerad bekannt ist, habe ich mich bei den russischen Dienststellen dafür
eingesetzt, ihn wieder frei zu bekommen.
Es sind in dieser Hinsicht Anweisungen ergangen, dass — sowie der Lageraufenthalt
B.'s ermittelt wird, er unmittelbar auf freien Fuss gesetzt
wird. Bitte wenden!
Darüberhinaus sind mehrere Monate vergangen. Seine junge Frau (ich
war bei der Trauung Zeuge) ist schwanger und steht ziemlich mittellos da.
Da Hans B. als Opfer des Faschismus anerkannt ist, möchte ich Dich
darum bitten, zu veranlassen, dass die Fürsorge jetzt auf seine Frau ausgestreckt
wird. Seinen Ausweis bezw. provisorischer Ausweis konnte B. niemals
in Empfang nehmen, da er - wie oben erwähnt - schon im Juli verhaftet
wurde.
Hier liegt ein Fall vor, wo wir unbedingt helfend einspringen müssen, da
die Verhaftung B.'s nach keiner Seite hin zu verantworten ist.
Ich bitte Dich, entsprechende Informationen zu veranlassen, damit man
Frau Bächle im Rahmen unserer Betreuung helfend beispringen kann. In
alter Frische Dein Gefroi" (Hervorhebungen nicht im Original)
Gefroi hatte offenbar gute Kontakte zum NKWD. Dennoch konnte er
die Freilassung nicht bewirken.
Bächle war schon als OdF anerkannt (am 23.10.1946), als die Genossen
erfuhren, dass ein scheinbar gefährlicher SS-Mann sich diese Vergünstigung
erschlichen hatte. In einem Aktenvermerk vom 3. August 1948 heißt
es: „Es erschien die Magistratsangestellte Frau Hertha Gebhardt und erklärt
in der Angelegenheit Bächle, dass nach Aussagen der Frau Bächle,
welche ihre Arbeitskollegin ist, der Ehemann nicht Mitglied der K.J.I. war,
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