http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0300
300
Marlin Ruch
der vorbereitet zu sein schien. Er gerieth in Wuth, oder stellte sich wenigstens
wütend und forderte unter entsetzlichem /Gebrüll muß ich es nennen/
allen Haber und alles Heu, so im Kloster vorhanden wäre. Da der Haber
ohnehin durch vorhergeschehene Requisitionen ganz aufgezehrt: folglich
keiner mehr vorhanden war, so gab der Prior Befehl, dass das noch vorhandene
Heu gebunden und ausgeliefert werden solle. Der Officier verlangte
mit dem Prior in einem besonderen Zimmer allein zu sprechen: da
forderte er 200 Louis d'or. Keine Entschuldigung wurde angenommen. Ist
das Heu gebunden, schrie er mit grässlicher Stimme. Ich habe es befohlen,
antwortete der Prior und will sehen, ob es geschehen sey. Hier zog er den
Säbel, schlug mit der flachen Klinge derb auf ihn los, und verfolgte ihn so
bis an die Stiege. Mittlerweile wurde das Kloster und Dorf mit Kavallerie
und Infanterie umrungen, man drohte mit Plündern, man befahl für 5 Offi-
ciere ein Frühstück zu bereiten, jeder forderte besondere Speisen; von den
Ordensgeistlichen, die sich nach und nach versammelten, wurden Hemder,
Halstücher, Schnupftücher abgefordert, man gab sie; es kam zum Frühstück
. Der Prior musste im Tafelzimmer wie ein zum Tode Verurteilter vor
ihm stehen, er wurde auf die pöbelhafteste und widerwärtigste Art von den
Fünfen, die den Namen Officier führten und schändeten, verlacht, verspottet
, verhöhnt. Der Auftritt dauerte eine Stunde lang, endlich erhob sich der
obbesagte Officier, rufte den Korporal herbey, befahl mit einem schauderndem
Gebrüll, dass Prior ihnen zweyen in ein besonderes Zimmer folgen
sollte. Sofern nicht die 200 Louis d'or unverzüglich auf den Tisch gelegt
werden, schrie der Officier, so werde er ihm Prior einen Strick um den
Hals machen, an den Schweif seines Pferdes binden und fortführen. Auf
Priors Entschuldigung mit der Unmöglichkeit / wie es wirklich war/ zogen
beede ihre Säbel: Man drohte ihm anfänglich mit 200 Prügel a la Österreich
, wie sich der Korporal ausdrückte, dann ergriff dieser die Pistole,
und setzte sie dem Prior mit gespanntem Hahn auf die Brust. Der Tobende
war bereits besoffen. Prior schwebte also zwischen Leben und Tod, der ihm
jede Minute bevorstand. Ich will sehen, sagte Prior in der Angst, ob Pater
Großkeller noch Geld hat. Dieser schickte einen Sack, worinn etwa 60 L.
in Silber enthalten waren. Gold müsste es seyn, schrie der Officier, und
stieß den Sack weg, lief rasend zur Thür hinaus und stellte sich, als wollte
er plündern lassen. Prior erinnerte sich, dass in einer Schublade des
Schreibtisches eine nicht unbedeutende Summe von Münzen vorhanden
war. Man bot auch diese an. Der Officier stieß auch die Schublade mit dem
Fuß mit solcher Wuth, dass alles, was auf dem Tisch stand, herunterfiel.
Die Geistlichen des Klosters liefen herbey, stellten vor, bathen, der Officier
mit dem Stock, der Korporal mit dem Säbel schlugen auf sie los, jagten sie
wie eine Herde Vieh umher, keiner kam ohne die schimpflichsten Misshandlung
erduldet zu haben, von Händen dieser Rasenden los. Jeder entfloh
; so suchte sich auch Prior zu verbergen; der bey 1 1/2 Stunde in
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0300