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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 372
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Johannes Werner

Im Sommer stand man um 3 Uhr auf, im Winter um lh 4 Uhr. Dann
hieß es: Zum Appell mit Strammstehen, und das ging oft stundenlang. Jeder
Block hatte seine bestimmte Zahl Insassen, und die Zahlen mussten
stimmen, eher war der Appell nicht zu Ende. Auf alle Fälle hieß es so lange
stehen, bis es hell genug war, zur Arbeit auszuziehen. Oft gab es auch
Strafstehen, drei und vier Stunden lang. Es war z. B. einem Häftling gelungen
, zu entfliehen, als er auf Außenarbeit war, das war Grund genug, alle
Lagerinsassen bei größter Kälte oder Hitze stundenlang strammstehen zu
lassen. Es gab kaum einen Häftling, der sich nicht ein Blasen- oder Nierenleiden
oder eine Darmerkrankung zuzog. Klosette gab es für Strafstehen
nicht. Eine besondere Klasse waren die NN-Häftlinge (Nacht und Nebel).
Die Angehörigen durften von ihrem Aufenthalt nichts wissen - also keine
Post hin oder her. Schwester Gregoire gehörte z. B. zu diesen.4

Über 2.000 Aufseherinnen gehörten zum Lager, dazu noch die SS-Leute
. Die Anrede von ihrer Seite bestand nur aus den hässlichsten Schimpfworten
. Nur eine NS-Schwester hatte sich ihr menschliches Herz erhalten,
sie wurde deshalb strafversetzt.

Zuerst hatte ich 3 Wochen schweren Außendienst: Kohlen-, Sandschippen
und dergleichen. Dann kam ich als ehemalige Krankenschwester ins
Revier, und das war mein Glück, sonst würde ich wohl nicht mehr leben.
Ich war im Wöchnerinnensaal, und das war gut, da konnte ich doch meinem
Beruf entsprechend wirken.5 Oh, wenn die SS geahnt hätte, wie viele
Kinder ich getauft habe! Die Taufen wurden immer sehr heimlich gemacht.
Einmal wagte ich es aber doch öffentlich. Da waren lauter Zuverlässige im
Saal. Es wurde ein Adventskränzchen gewunden, sogar ein Lied gesungen,
und dann wurde getauft. Fünf Seelen wurden diesmal für den Himmel gewonnen
. Im Ganzen habe ich mehr als 500 Kinder getauft, viele Polenkinder
. Einmal musste ich bei einer Geburt auch die Hebamme spielen, und es
ging alles so glatt und schön. Da hatte ich doch eine Freude, dass Mutter
und Kind so gar keinen Schaden erlitten hatten. Nun meinte die Mutter:
„Schwester, das Kind muss Ihren Namen haben, weil Sie sich so mitfreuen
." Aber Klein-Margaretchen teilte bald auch das Los der meisten Kinder.
Sie mussten sterben, weil die Mütter ja nichts zu essen hatten. Wie bitter
war es zu hören: „Schwester, schau, mein Kind ist krank", und die Tränen
fielen auf das Greisengesichtchen des halb verhungerten Säuglings. (Eine
einzige von den vielen polnischen Frauen hatte ihr Kind nicht von ihrem
Mann.)

Das Essen im Revier war doch etwas besser als sonst. Es gab da noch
Suppe für die Patienten, für die Wöchnerinnen nach der Geburt allerdings
nicht mehr. (War noch von der Suppe übriggeblieben, so nahmen die kommunistischen
Pflegerinnen sie gewöhnlich für sich allein weg.)

Das Essen bestand sonst aus: Kaffee morgens, dazu die Tagesration an
Brot, zuletzt vier dünne Scheibchen. Mittags gab es Gemüse: Dürrgemüse


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