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„Bin imstande mein Schicksal zu tragen"
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oder Runkelrüben mit Kartoffeln in der Schale untermischt, nur in Wasser
gekocht (V2 Liter). Zuletzt gab es keine Kartoffeln mehr dazu. Abends
nochmals Kaffee. Wer auf dieses Essen allein angewiesen war, konnte
nicht durchhalten. Ich bekam jede Woche von zu Hause ein Paket, und die
meisten kamen in meine Hände. Das half mir durch, und ich konnte auch
meinen Sorgenkindern im Revier damit aufhelfen.
80-100 Häftlinge starben täglich an Hunger und Elend. Eine französische
Röntgenschwester erkrankte durch die übliche Typhusimpfung an Typhus
, so wenig Widerstandskraft hatte der Körper noch, und sie starb.6 Nur
Arbeitsfähige durften leben! Und was sie sonst an den Menschen angerichtet
! Bei allen deutschen Frauen, die von einem Ausländer schwanger waren
, wurde abgetrieben, oft im 7. Monat noch. Das taten sie auch an einem
jungen Mädchen aus gut katholischer Familie, das in einer Klosterschule
aufgezogen worden war. Das Häftlingsleben war gar so schwer, so ließ sie
sich dazu verleiten, sich in das Lusthaus eines Männerlagers zu melden,
wo SS-Leute und auch Häftlinge verkehren. Den Häftlingen sind diese
Freuden erlaubt, weil sie erfahrungsgemäß um 50 % leistungsfähiger würden
nach solchen Nächten. Sie kam als Schwangere wieder zu uns zurück
und es wurde im 7. Monat abgetrieben. Ich habe sie mit Mühe wieder
hochgebracht, habe ihr ja von meinem Eigenen nachhelfen können. Ich habe
ihr aber auch das Nötige gesagt.
Es wurden Versuche aller Art an den Häftlingen gemacht, vor allem
Versuche der Sterilisation.7 Eine sehr gute Mitarbeiterin von mir, eine Caritasschwester
, wurde im Herbst '44 entlassen,8 so hatte ich im letzten
Halbjahr Gelegenheit, bei den Operierten und dadurch Zeuge dieser
Schändlichkeiten zu sein. Hier wurde alles aufgewendet, sie nach der Operation
durchzubringen; sie wurden richtig aufgepäppelt.
Vor allem wurden zu den Versuchen Idioten genommen und solche, die
durch das Leben im KZ wahnsinnig geworden waren; es wurde aber auch
bei den Gesunden nicht Halt gemacht, so wie auch Evakuierte aus Warschau
ins Lager gebracht wurden und die gleiche Behandlung erfuhren wie
jeder Häftling, darunter alle Kinder eines großen Waisenhauses und 71 Ordensschwestern
.
Viele junge gesunde Polinnen vor allem haben sie zu Krüppeln operiert.
Da wurden Knochen, Gelenke, Glieder abgetragen, alles nur zu Versuchen.
Und die Methoden bei den Sterilisationsversuchen! Da wurden Einspritzungen
in die Eileiter gemacht, jedenfalls mit einer stark ätzenden Säure,
denn die Frauen bekamen einen sehr starken Ausfluss und so furchtbare
Schmerzen, dass sie oft ohnmächtig wurden vor Schmerzen und auch starben
. Ein Linderungsmittel wurde nicht gegeben. Einmal nur gelang es einer
vornehmen Norwegerin, von einer NS-Schwester Tabletten zu erbetteln
, die sie dann unter die Ärmsten verteilte. Man machte die Versuche
auch an 10- und 12-jährigen Mädchen. Da es nicht gelang, in die Eileiter
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