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Uwe Schellinger
geschlagen? Konnte er seine Pläne, von Paris aus zu einem Verwandten
seiner Familie in die USA zu reisen,44 später in die Tat umsetzen? All dies
ist ungewiss. Gleichwohl liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass
Marko Moskowitz heute noch lebt.
Fazit und Ausblick
Es mag zunächst gewisse Enttäuschung auslösen, dass aus dem vorliegenden
Transkript des Interviews mit Marko Moskowitz keinerlei konkrete Informationen
über die Ereignisse in Offenburg zu erfahren sind. Die Niederschrift
lässt letztlich auch keine Analyse dahingehend zu, wie prägend für
Moskowitz sein Aufenthalt in Offenburg etwa im Vergleich zu Auschwitz-
Birkenau und dem Lager bei Breslau war oder ob sich seine fehlenden
Aussagen mit der Fragestrategie des Interviewers begründen lassen. Für
David P. Boder war sicherlich das Thema „Auschwitz" besonders relevant,
und so kam es hier seinerseits auch zu mehreren Nachfragen. Er wollte von
Moskowitz ausdrücklich wissen: „Now teil me, how did people live in Auschwitz
."45 Über ein Drittel des Gesprächs hat demzufolge die Zustände
im Konzentrationslager Auschwitz zum Inhalt. Demgegenüber war nicht
nur das ihm unbekannte Offenburg weniger von Interesse, sondern es wurden
auch die großen Lager Flossenbürg und Groß-Rosen so gut wie nicht
behandelt. Die vorliegende Quelle, die zunächst mehr Fragen aufwirft als
dass sie ausführliche Informationen liefert, macht in ihrer Fragmenthaftig-
keit vor allen Dingen bewusst, wie rudimentär die Kenntnisse über die individuellen
Lebensläufe der Offenburger KZ-Häftlinge sind. Gesellschaft,
Politik, Wissenschaft und Regionalgeschichtsschreibung haben möglicherweise
allzu lange damit gewartet, Einzelschicksale wie das von Marko
Moskowitz in angemessener Weise in Erfahrung zu bringen und zu dokumentieren
. Nachdem durch grundlegende Arbeiten die Strukturen des
Häftlingseinsatzes in Offenburg inzwischen gut aufgearbeitet sind, wird
sich die zukünftige Forschung noch mehr als bisher den individuellen Erfahrungsgeschichten
zuzuwenden haben. Wie grundlegend wichtig dieser
Blick auf die einzelnen Biographien der Häftlinge und deren Erfahrungen
ist, zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die in der Ortenau die Verantwortlichen
der KZ-Gedenkstätte „Vulkan" in Haslach i.K. in den zurückliegenden
Jahren mit den überlebenden Zeitzeugen gemacht haben.46 Für
die Stadt Offenburg ist die Forschungsarbeit in diese Richtung kaum mehr
als ein Jahrzehnt alt47 und kann meines Erachtens keineswegs Vollständigkeit
beanspruchen.
Die Historikerin Barbara Distel, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau,
hat unlängst im Zusammenhang mit neuen Forschungsergebnissen zu den
nationalsozialistischen Konzentrationslagern noch einmal auf die unverbrüchliche
Bedeutung der Berichte der Überlebenden und deren jeweilige
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