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Waller Ernst Schäfer
Grundtenor, das Festhalten an der „kernhaft deutsch-vaterländischen Gesinnung
" blieb der gleiche wie 1876 und 1879. Grimmelshausen als Zeuge
für Nationalbewusstsein in schwerer Zeit, und auch die Gewichtung der
verschiedenartigen Schriften Grimmelshausens hatte sich nicht grundlegend
verändert. Die Idealromane wurden auch von Oeftering als unangemessene
Konzessionen an barocke Modeströmungen abgewertet, die sim-
plicianischen Romane als Zeitberichte hochgeschätzt.60 Doch im Ganzen
waren die Urteile und Wertungen Oefterings relativ sachgerecht und
tendenzfrei.
Das wurde anders nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten
im Januar 1933. Oeftering schloss sich, wie so viele andere Literaten
und Heimatdichter völkisch-nationaler Prägung der „Bewegung" an, zumindest
in ihren Anfängen. Zeugnis dafür ist ein Drama, publiziert in dem
von der „Badischen Heimat" herausgegebenen Ekkart-Jahrbuch 1936, das
aus einem Vorspiel („Auftakt") und drei dramatischen Szenen („Bildern")
besteht.61 Sie umreißen signifikante Lebensstationen Grimmelshausens:
seinen Dienst als Musketier in der Garnison Offenburg 1639, seine Funktion
als Regimentssekretär in Offenburg 1640 und seine - fiktive - Begegnung
mit Springinsfeld in seinem Wirtshaus zum Silbernen Sternen in
Gaisbach. Oeftering verstand es, die Hauptfiguren um Grimmelshausen in
Offenburg, Gaisbach und Renchen, den Wachtmeister Henninger, seine
Tochter Katharina, Grimmelshausens Gattin, seine fünf Kinder, den
Springinsfeld und den Freiherrn Hans Reinhard von Schauenburg im Drama
zu verknüpfen und in Szene zu setzen.
Aus heutiger Perspektive ist vor allem das „Vorspiel" von Interesse. Es
zeigt eine Schulklasse mit ihrem Lehrer auf dem Klassenausflug, der von
Oberkirch über die Schauenburg nach Gaisbach - die Einkehr dort für eine
Limonade nicht vergessen - führt, und am Grimmelshausen-Denkmal in
Renchen sein Ziel findet. Im Angesicht des Denkmals aber, auf dem gedachten
Grab Grimmelshausens, hält der Lehrer seine Gedächtnisrede. Sie
stellt Grimmelshausen als „Mann der Tat", nicht nur „der Feder" vor - das
meint, als Soldaten, und beruft sich dabei auf nichts mehr als auf seinen
Kriegseinsatz beim Einfall der französischen Armee unter Turenne 1675
(über den so gut wie nichts überliefert ist). Dass eine solche Profilierung
Grimmelshausens als namhafter Kriegsheld gemeint war, gab schon der Titel
des Kurzdramas zu erkennen: „Grimmelshausen. Lebenslauf eines Soldaten
, Volksmannes und Dichters".62 Auch die Schüler sollten schon mit
militärischem Schneid auf die Bühne ziehen. Das Drama beginnt:
Auftakt
Ein Lehrer und Schüler auf einem Klassenausflug kommen nach
Renchen an das Grimmelshausen-Denkmal, das im Schatten hoher
Bäume neben der Kirche steht.
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