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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 107
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Der Tod im Brauchtum des Renchtals

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setze in Oppenau, der Vorstadt vor dem oberen Tor, die Totenwache für
Georg Bächle gehalten. Männer und Frauen aus der Nachbarschaft fanden
sich gegen 20.30 Uhr im Haus des Verstorbenen ein, um zu beten und die
Totenwache zu halten.

Eine Zeugin berichtete: Um 9 Uhr erfolgte das erste Gebet für den Toten
. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich alle ruhig verhalten. Nach diesem
sind die Männer zusammengesessen und haben sich Witze erzählt (...) Einen
Witz kann ich noch sagen, Bruder hat diesen erzählt. Erfragte, wer zuerst
nach Berlin komme, der Geißbock oder der Elefant. Hierauf antwortete
mein Mann, dass der Elefant zuerst hin käme. Bruder erklärte hierauf:
„Ja, der Geißbock hat zuerst gemeckert und kam nach Kislau (badisches
Konzentrationslager bei Bruchsal,). Für diesen Witz wurde der Arbeiter
Ludwig Bruder in „Schutzhaft" genommen. Ihm wurde vorgeworfen, dass
er mit diesem und anderen Witzen hetzerische Äußerungen über leitende
Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP gemacht habe, die geeignet
sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben.

Ein weiterer Witz, den Bruder angeblich erzählt hatte, lautete: Reichskanzler
Adolf Hitler sei mit Heß und Göring spazieren gegangen. Auf deren
Frage, wie lange das III. Reich bestehe, habe er gesagt: „NSDAP - Nur solange
die Affen parieren." Die Teilnehmer der Totenwache wurden vernommen
, wobei betont wurde, dass Witze unpolitischer Art erzählt wurden. Mit
Witzeerzählen und Alkohol vertrieben sich die Männer die Zeit. Diese Art
von Totenwache hätte tragische Folgen haben können. Der SA-Führer Friedrich
Busam hinterbrachte Ortsgruppenleiter Schmid die Meldung von dem
Geschehen, der davon Anzeige erstattete. Die Beteiligten hatten Glück, eine
Strafverfolgung wurde nicht angeordnet und der Verhaftete nach einer Abmahnung
und Warnung aus der Schutzhaft entlassen.42

Der Brauch der Totenwache und des Totengebets im Haus des Verstorbenen
verschwand, als die Aufbahrung in den Leichenhallen, in den Krankenhäusern
oder in den Leichenzellen der Pietätsunternehmen erfolgte.
Damit gelang es, den Tod ein Stück unsichtbarer zu machen und weiter aus
der Welt der Lebenden zu verdrängen. Das Rosenkranzgebet wurde in der
Pfarrkirche abgehalten. In Ibach versammelte man sich ursprünglich zum
Totengebet in der Kapelle, wobei wegen der Enge viele Teilnehmer vor der
Tür stehen mussten.43

Eingebettet in den Rahmen der Gemeinschaft war die Beerdigung, die
ihren Anfang vom Haus des Toten nahm. Der Sarg wurde im Hof aufgestellt
und mit Blumen geschmückt.44 Die Sterbegarnitur mit brennenden
Kerzen und einem Kruzifix wurde auf ein Tischchen gestellt, das mit einer
gestickten Decke geschmückt war. Die ankommenden Trauergäste bespritzten
den Sarg mit Weihwasser und reihten sich in die Trauerversammlung
ein. In einigen Gemeinden wurde der Sarg zur Kirche getragen. Sogar
aus den weitläufigen Tälern um Oppenau wurde in früheren Zeiten der


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