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Webers Hände: Wirken und Wirkungen des „Wunderheilers von Schutterwald"
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Webers Klienten
„Diese Menschen kamen massenhaft per Eisenbahn, mit Autos und Autostopp
von überall her zu Josef Weber. Schon ab vier Uhr morgens stehen
sie bis in die Nacht auf Abruf bereit, um endlich drankommen zu
können."69 Beschreibungen wie diese im Offenburger Tageblatt deuten
auf den Besucherstrom hin, der sich im Jahr 1974 nach Schutterwald bewegte
. Dieser enorme Andrang setzte sich danach in Müllheim-Niederweiler
und in den verschiedenen Außenstellen fort. Um zu bestimmen, was
sich die Menschen von einem Besuch bei Weber versprachen, bedürfte es
präziser qualitativer Quellen über die Erwartungen, Hoffnungen und Erfahrungen
der Hilfesuchenden. Diese sind allerdings im Fall Weber nicht
mehr vorhanden oder derzeit noch nicht zugänglich.70 Lediglich durch die
damalige Presseberichterstattung werden uns einige Äußerungen vermittelt
, die allerdings lediglich artikelausmalenden Charakter haben. So
wird beispielsweise eine Hilfe suchende Frau aus Freiburg zitiert: „Ich bin
seit sieben Jahren gelähmt; viele Kapazitäten habe ich schon konsultiert: es
hat nichts geholfen. Wenn Weber mir helfen würde, so würde ich ihm nicht
50, sondern 500 Mark oder noch mehr Geld geben."71 Ein anderer Patient
ließ wissen: „Ich bin todkrank. Weber ist meine letzte Rettung. Aber wenn
auch nicht heilen, so kann er mich wenigstens von den Schmerzen befreien
."72
Eine Reihe von Einsichten in die Zusammensetzung von Webers Klientel
erhält man hingegen durch die Arbeit von Holger Schleip, in der das
Patientenklientel Webers (sowie des zweiten untersuchten Heilers) soziologisch
analysiert wird.73 Als Ergebnis kam zum Vorschein, dass bei Weber
deutlich mehr Frauen - ungefähr 67 Prozent - als Männer vorstellig wurden
und dass es vor allem die Altersgruppe der über 60-Jährigen war, die
den „Wunderheiler" konsultierte. Die Klienten kamen überwiegend aus
kleinen Gemeinden von unter 1.000 Einwohnern. Weiterhin ließ sich
sagen, dass einfache Berufe, insbesondere landwirtschaftliche, häufig vorkamen
, während Berufe, die eine höhere Schulbildung erfordern, relativ
selten waren. Schleip kam deshalb zu dem Resümee: „Insgesamt konnte
also das gängige ,Vorurteil' über die Patienten von Laienheilern (ältere,
einfache Frauen vom Lande) tendenziell bestätigt werden."74
Interessant ist weiterhin die Frage nach den gesundheitlichen Beschwerden
, mit denen sich die Klienten an die „Wunderheiler" wandten.75 Erstaunlich
war, „wie bunt das medizinische Bild des Patientengutes" gewesen
ist. Insgesamt wurden von 1.015 befragten Personen nicht weniger als
1.500 voneinander unterscheidbare Beschwerden genannt. Die Hilfesuchenden
wandten sich vor allem mit Problemen aus dem Bereich des
Nervensystems und mit psychischen Problemen an die beiden Heiler,
weiterhin suchten viele Patienten mit Problemen im Bewegungsapparat
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