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Uwe Schellinger/Gerhard Mayer
ein „wunderbarer" Ruf vorauseilte; spektakuläre Personen, die die Hoffnungen
der Ratsuchenden schürten, die aber von dem Verdacht der Scharlatanerie
nie ganz loskommen konnten.98 Mit diesem Typus verbunden ist
die Skepsis, das Misstrauen und der Neid etablierter Instanzen wie der
Ärzteschaft, der Wissenschaften oder der Kirchen. Der Vorwurf des Betrugs
steht dabei permanent im Raum." Der Unterschied zu einer Person
wie Weber bestünde in der Beschleunigung, mit der inzwischen eine solche
„Karriere" mittels der Massenmedien ablaufen kann. Die Frage „Wunderheiler
oder Scharlatan" ließ natürlich auch bei Weber nicht lange auf
sich warten.100 Die von ihm verkörperte moderne Variante eines Laienhei-
lers, der gleichzeitig Nutznießer und Opfer der Massenmedien ist, scheint
zudem das Charakteristikum zu besitzen, dass über die Heilerkarriere hinausreichende
lebensgeschichtliche Aspekte im Nachhinein nur schwierig
zu fassen sind. Zu den Merkmalen solcher „flüchtigen" Gestalten gehört es
offenbar, ein relativ unstetes Leben zu führen, permanent lokale Verankerungen
zu lösen und kaum Spuren zu hinterlassen. Auch der „Wunderheiler
von Schutterwald" verschwand in den 1980er Jahren nach einer kurzen,
aber lukrativen Karriere fast lautlos von der öffentlichen Bildfläche. Sein
weiterer Lebenslauf ist unbekannt. Ebenso lassen sich über seinen Entwicklungsgang
hin zum „Wunderheiler" nur Vermutungen anstellen. Vieles
spricht dafür, dass eine ökonomisch motivierte Anfangsidee plötzlich
eine Eigendynamik entwickelt hat, mit der Weber selbst wohl kaum rechnen
konnte. Josef Webers Persönlichkeits- und Motivationsstruktur bleibt
aufgrund des Fehlens einschlägigen Quellenmaterials letztlich ungeklärt.
Er erscheint in der Rückschau als diffuse Figur, die kaum zu positiven
Identifikationen taugt. Sein ebenso spektakuläres wie umstrittenes Wirken
am Oberrhein in den Jahren zwischen 1974 und 1977, das in der regionalen
Zeitgeschichte ohne Vergleich ist, weist dem „Wunderheiler von Schutterwald
" allerdings auch dann einen Platz in der regionalen Mentalitätsoder
Medizingeschichte zu, wenn man sein Wirken als problematisch einstufen
möchte.
Josef Webers Karriere als „Wunderheiler" wird man dabei eng mit den
Bedürfnissen und Erwartungen der Bevölkerung in Zusammenhang sehen
müssen und die damit verbundenen Präsentationsformen in den Populärmedien
zu berücksichtigen haben. Die „Welt der Geistheiler"101 konstituiert
sich aus mehreren Faktoren, die offenbar nicht voneinander zu trennen sind.
Ein „Wunderheiler" agiert in einem Beziehungsgeflecht, das zusätzlich
gleichzeitig von den „Wundersuchenden" sowie von den „Wundererzählern"
aufrechterhalten wird. So lange dieses „Gravitationsfeld" von allen drei Beteiligten
anerkannt wird, scheinen verblüffende Heilerfolge prinzipiell möglich
zu sein.102 Worauf die zahlreichen berichteten Behandlungserfolge Josef
Webers letztlich zurückzuführen sind, bleibt eine Forschungsfrage außerhalb
der historischen Betrachtung beziehungsweise der Medienanalyse.103
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