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Karl Maier
liehen, wahrheitsliebenden Charakter, ist ein fein gebildeter Herr, hat ein
nobles Benehmen, jedoch für seine Umgebung ist er nicht hochgetragen
und stolz, er ist gegen jedermann freundlich und leutselig ... Was einer seiner
besten und schönsten Vorzüge noch ergeben, so ist Herr Dr. Wolff ein
ganz nüchterner Herr, er liebt Gesellschaften und Vereine, ist dabei sehr
lebenslustig, aber zum etwas über die Schnur zu trinken, ist er nicht zu haben
und nicht zu bewegen, er sagt, meine Stellung als Arzt und meine
Pflichten als solcher erlauben mir dies nicht" (Waldkatzenbach).13
Hoch geschätzt werden seine medizinischen Fähigkeiten, äußere und innere
Krankheiten zu behandeln. Als Geburtshelfer sei er ein Spezialist, als
Chirurg außerordentlich erfolgreich, selbst bei Blinddarmentzündungen,
was wir heute fast nicht mehr nachvollziehen können. Bürgermeister Backfisch
aus Oberdielbach berichtet aus seiner eigenen Erfahrung, bei einem
Unfall sei seine rechte Hand „ganz zerrissen und zerquetscht" worden. Dr.
Wolff habe sie soweit hergestellt, dass er fast alle Arbeiten wieder leisten
könne. Seine Geschicklichkeit und sein Wissen würden seine Reputation
weit über die Grenzen seines Bezirkes tragen und man rufe ihn noch in 5
bis 6 km entfernten Orten im Amt Buchen-Mosbach zu Patienten, besonders
in Notfällen (Waldkatzenbach).
Mit einer Ausnahme merken alle Bürgermeister an, dass Dr. Wolff Jude
sei, alle ohne Wertung. Nur Heisner aus Weisbach spricht indirekt in seinem
Lob das Problem des Antisemitismus an: „Derselbe hat sich ... das
vollste Vertrauen und Achtung bei unserer ganzen Bevölkerung erworben,
in dem Maße (obgleich Israelit von Confession), wo selten ein anderer Arzt
zu besitzen sich rühmen könnte."
Bei diesen überschwänglichen Zeugnissen ist es kein Wunder, dass der
Gemeinderat von Appenweier rasch handelt. Mitte April schrieben die Verbandsgemeinden
ihre Beurteilungen, am 25. April 1908 beschließt man im
Rathaus: „Der praktische Arzt Dr. Wolff wird anstelle des praktischen Arztes
Dr. Krämer für hiesige Gemeinde angestellt u. zwar unter den bisherigen
Bedingungen. Er erhält insbesondere das Wartegeld mit 500 M pro
Jahr. Desgleichen wird demselben die von Krämer innegehabte Wohnung
nebst Zubehör unter den bisherigen Bedingungen belassen. "14
Dr. Wolff zog in das alte Barockgebäude an der Landstraße ein, das einmal
das Landgericht beherbergte, später das Bezirksamt und in dem nun
die Gemeindeverwaltung arbeitete. Im zweiten Stock richtete er seine
Wohnung und die Praxis ein.
Wenn wir die Arbeit Dr. Wolffs beschreiben wollen, dann suchen wir
gerade für sein Amt als Armenarzt systematisch geführte Unterlagen vergeblich
. Die Gemeinde zahlte gewöhnlich Anteile an den Pflegekosten von
Insassen von Heilstätten. Direkte Zuwendungen, aus denen man auf die
Anzahl der behandelten Personen schließen könnte, gab es kaum. Auf sicherer
Grundlage lassen sich dagegen die Patienten zusammenstellen, die
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