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Karl Maier
Zusatz: „Diejenigen, die die Genehmigung erhalten, dürfen nicht die Bezeichnung
Arzt, sondern nur die Bezeichnung Krankenbehandler führen. "28
Dieses ausschließlich nur an eine Person gebundene Recht erhielt für
„die Gegend von Offenburg" Dr. Wolff aus Appenweier zugeteilt. Leider
haben wir über diesen rechtlich doch wichtigen Vorgang keine offiziellen
schriftlichen Unterlagen und wissen davon nur aus den „Erinnerungen" der
Offenburger Bürgerin Frau Dorothea Siegler-Wiegand29. Bei der begrifflich
nicht festgelegten Beschreibung fällt es schwer, sich einen genauen
Überblick über die praktische Arbeit Dr. Wolffs zu verschaffen.
Ein Amt zählt für 1938 in Offenburg 221 jüdische Bewohner, in Diersburg
17, in Durbach II.30 Auch wenn wir mögliche Patienten der bisher
von Wolff betreuten Gemeinden des Renchtals und des Hanauerlandes einbeziehen
, können wir diese Zahlen nicht mit einem für Arzt und Kranke
gleichermaßen Mitleid erregenden Hinweis in einem Brief aus Appenweier
an die Tochter Irma Herzog in Einklang bringen: „Ich habe zunächst ein
paar hundert Mahnschreiben abgefasst und als Erfolg von immerhin einem
Drittel Zahlungen empfangen. "3I Die Frage nach der Größe der Praxis
muss also offen bleiben. Bedenkt man, dass er, weil er sein Auto hatte abliefern
müssen, auf den Zug und das Fahrrad angewiesen war, erkennt man
Mühe und Zeitaufwand, die ihn belasteten. Möglicherweise hatte ihm die
Post auch das Telefon gesperrt.
Bei solchen Verhältnissen, meinen heute noch Zeitzeugen, hätte Dr.
Wolff doch Deutschland verlassen sollen. Mit seinen überragenden Kenntnissen
hätte er überall seinen Lebensunterhalt verdienen können. Warnungen
gab es genug über die normalen Repressalien hinaus. Der Mitbesitzer
und Geschäftsführer des Oberrheinischen Säge- und Hobelwerkes Appenweier
, Heinrich Falk, wurde 1938 ausgewiesen, und einer seiner Angestellten
, Julius Wormser, Jude wie er, ebenso im selben Jahr;32 zwei Ehepaare,
die zum Bekanntenkreis Wolffs gehörten, die Schleichers und Rosenbergs,
bereiteten ihre Emigration nach Irland bzw. Argentinien vor.33 Auch durch
die eigene Familie wurde Dr. Wolff die ganzen Jahre des Dritten Reiches
mit dem Problem Auswanderung konfrontiert. Im November 1933 fuhr
sein zweiter Sohn Curt nach Frankreich; die Gestapo ermittelte und befand
, dass Curt an geheimen Treffen jüdischer Jungen teilgenommen habe
und aus Angst vor Strafe über die Grenze gegangen sei.34 In Wahrheit war
sein wichtigster Grund nicht, den widrigen Umständen seiner Heimat zu
entfliehen, sondern den ersten Schritt nach Palästina zu tun, um dort, wohl
im Sinne des Zionismus, als Landwirt zu arbeiten.35 1 93 5 reiste er ab,
nachdem seine Freundin Bella Geismar von Offenburg nach Straßburg gekommen
war.36
Die neu gewonnene Existenz Curts beeinflusste bald die Lebensplanung
seines Vaters, denn bereits 1936 erfuhr die Gestapo aus Appenweier, dass
Dr. Wolff und die beiden Enkelkinder beabsichtigten, sich vom Wohnort
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