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Leben unter dem Sondergesetz: Jüdische Patienten im Städtischen Krankenhaus Offenburg
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se liegen dürfe. Mittwochs wurde er operiert und kam wieder in die
Irrenzelle.
Ich bitte inständigst, doch zu veranlassen, daß mein Mann in ein
menschenwürdiges Zimmer untergebracht wird. Der Raum bietet
weder Luft noch Licht. Das Fenster ist von unten bis oben mit einem
Drahtgitter versehen, die Türe zum Flur steht Tag und Nacht offen,
da es sonst unerträglich wäre, die Unruhe von außen läßt meinen
Mann nicht zur Ruhe kommen, die Küche ist fast nebenan, schlafen
kann er nicht und infolge Mangels an frischer Luft kann er nicht essen
. Benötigt er etwas muß er warten bis eine Schwester vorbei geht,
da keine Schelle vorhanden. Er ist sehr elend und nachhause kann
ich ihn, da er operiert ist, nicht nehmen.
Mit Hinweis darauf daß er 4 Jahre an der Front war, bitte ich sehr
um Beschleunigung meines Gesuchs.
Rebekka Kleeberg "
Am 23. Mai meldete die Krankenhausverwaltung an den Oberbürgermeister:
„In der Zeit vom 25.2. bis 18.3. war ein Jude Kleeberg von hier in
stationärer Behandlung und zwar vom 25.2. bis 28.2. in der 2. Klasse
, von da ab in der 3. Klasse-Zelle. Seit dieser Zeit ist kein Jude
mehr hier gewesen."
Frau Kleeberg (geb. 1880) starb am 1.8.1942 in Offenburg. Sie hatte schon
zwei Wochen vor ihrem Tod einen Suizid-Versuch unternommen. Unklar
ist, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Deportationsmitteilung nach
Theresienstadt erhalten hatte und deshalb wie so viele andere den Freitod
wählte. Ihr Mann, Isidor Kleeberg (von Beruf Händler, geboren 1874),
wurde drei Wochen nach dem Tod seiner Frau am 21.8. in das Sammellager
Stuttgart, dann mit Transport XIII/1 (1078 Personen, davon 1029
umgekommen) am 23.8. nach Theresienstadt deportiert und starb dort
am 24.11.1942.3
Zur Einlieferung von Rebekka Kleeberg meldete sich ein städtischer Beigeordneter
:
„15.7.1942: Beigeordneter Kraus macht darauf aufmerksam, daß
die Jüdin Kleeberg im Krankenhaus aufgenommen worden sei, weil
sie infolge Mißbrauchs von Schlafmitteln einen längeren Anfall der
Bewußtlosigkeit hatte. Beigeordneter Kraus beanstandet, daß die Jüdin
im Krankenhaus aufgenommen wurde - offenbar in einem Einzelzimmer
bzw. Gemeinschafts räum, wie arische Patientinnen - vor
allem aber, daß der in Frage kommende Arzt ihr eine entsprechend
übergroße Zahl von Schlaftabletten oder dergl. verschrieben hat.
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