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Leben unter dem Sondergesetz: Jüdische Patienten im Städtischen Krankenhaus Offenburg \11
ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. Sie zu
begründen, hätte etwas Ungeheuerliches, angesichts des Ungeheuerlichen
, was sich zutrug.8
Epilog: Zur Geschichte der Krankenpflege in der jüdischen Gemeinde
Offenburg
Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten brachte 1933 den Ausschluss
der angesehenen jüdischen Ärzte aus dem Ortenauer Ärzteverein:
Dr. Wolff aus Appenweier (geb. 1874, seit 1930 im Gesamtvorstand als
Schriftführer tätig, gest. 1942; vgl. den Aufsatz von Karl Maier in diesem
Jahresband), Frau Dr. Hertha Wiegand (1890-1944), Dr. Paul Nathan (geb.
1898, 1935 nach USA) und Dr. Werner Bloch (geb. 1900, 1936 nach
USA). Wolff starb im Deportationslager Gurs, Frau Wiegand wurde 1944
in den Selbstmord getrieben, Bloch und Nathan konnten noch emigrieren.
Der Kinderarzt Dr. Werner Bloch schrieb 1976 nach Offenburg:
„Vor mir liegt Ihr Brief, dessen Beantwortung ich immer wieder hinausgeschoben
habe. Ich glaubte, daß 40 Jahre seit unserer Auswanderung genügend
Zeit gewesen sind, aus der Vergangenheit persönliche Erinnerungen
hervorzuholen, ,sine ira et studio'. Nach reiflicher Überlegung muß ich Ihnen
aber schreiben, daß es mir unmöglich ist, Ihrer Bitte nachzukommen.
Ich lege Ihnen für das Archiv 2 Mitteilungen im Original bei. Der Vorsitzende
des Ortenauer Ärztevereins Dr. Klingelhöffer leitete die Verfügung
des Nazistaatskommissars für das Heilwesen in Baden ohne irgendeinen
moralischen Protest an den Oberbürgermeister weiter, auch ohne eine persönliche
Entschuldigung an einen der jüdischen Ärzte, die er jahrelang gekannt
hatte."9
Am 25. Juli 1938 erfolgt die 4. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz
: „Nichtarische" Ärzte erhalten ab diesem Zeitpunkt endgültiges
Berufsverbot.
Frau Dr. Wiegand im Brief an ihre Schwiegermutter:
„Liebe Mutter, seit meinem letzten Brief an Dich hat sich grundlegendes
verändert. Du wirst gelesen haben, daß die Approbation sämtlicher jüdischer
Ärzte ab 30.9.1938 erlischt. Ich werde also arbeitslos. Was ich in den
letzten 2 Tagen durch klagende, bis zur letzten Möglichkeit getreue Patientinnen
an Nervenkraft gebraucht habe, kannst Du denken. Ich muß nun
aufs Äußerste versuchen hinauszukommen. Was ich möglichst lange vor
allem um Deinetwillen hinauszögern wollte, muß jetzt in Bälde eintreten.
Wir müssen ruhig Blut behalten, ich kann nur wiederholen: bleib gesund,
liebe Mutter. Und Dank für Deine Bemühungen."10
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