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Gesundheit und Krankheil im Spiegel einiger Beilrüge der 85 Jahrgänge der „ Ortenau"
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dafür veranlasste Schott, dass Dr. Johannes Widmann die Bürgerrechte verliehen
wurden. Damit verbunden war die Aufnahme in die Zunft „zur Lut-
zerne". Dies war die Zunft, welcher sowohl die Fruchthändler und Barbiere
als auch die Bader und Ärzte angehörten.
In Straßburg wollte Widmann erreichen, dass im Bereich des Gesundheitswesens
Reformen durchgeführt würden. So empfahl er dem Rat der
Stadt in einer Denkschrift die „Heranbildung der Hebammen" und entwickelte
eine diesbezügliche Ordnung. Doch der Rat der Stadt hatte kein
Interesse an den Vorschlägen Widmanns.
Im Frühsommer des Jahres 1484 verließ Widmann den badischen Hof
und zog ins schwäbische Tübingen, wo die 1477 gegründete Universität
ihm Gelegenheit gab, seiner Leidenschaft des wissenschaftlichen Arbeitens
nachzukommen. Dort arbeitete er als Leibarzt des Fürstenpaares. Widmann
musste dabei keine Sorge um sein materielles Auskommen haben, denn er
erhielt neben „100, später 150 Gulden Jahressold (auch noch) Hofkleidung
, Pferde und Naturalleistungen."33 Auch in Schwaben erlahmte der Eifer
von Johannes Widmann nicht, was die aus seiner Sicht notwendigen
Reformen anbelangte. So schlug er die Einrichtung einer Art Landesbehörde
vor, die darauf zu achten hatte, dass die Apotheken das Schwergewicht
ihrer Arbeit auf die medizinische Versorgung der Menschen richteten.34
Widmanns Vorschlag entsprechend wurde in Tübingen eine alljährliche Visitation
eingeführt. Damit sollte überprüft werden, ob die Apotheken sich
an die diversen Bestimmungen hielten.
Widmann war als Leibarzt und Dozent an der Universität Tübingen sehr
beliebt. Die letztgenannte Tatsache wurde daran offensichtlich, dass der
junge Philip Melanchthon zu seinen Hörern zählte. Der Fürst honorierte
die medizinische Kompetenz Widmanns dadurch, dass er ihm am
27. September des Jahres 1493 das ganze „Examen der Sondersiechen zu
Wirtemberg" übertrug. Widmann bekam damit eine wichtige Aufgabe im
Kampf der weltlichen Behörden gegen den Aussatz, der zur damaligen
Zeit eine Volkskrankheit war, zugeteilt. Er glaubte sie durch „Kasernierung
" der davon betroffenen Menschen in den Siechenhäusern und den damit
verbundenen Ausschluss aus dem Gemeinschaftsleben lösen zu müssen
.35 Die Vermutung liegt nahe, dass Widmann schon während seiner Baden
-Badener Zeit mit der Einrichtung des dortigen Siechen- bzw. Gutleut-
hauses befasst war, denn dieses enthielt seinen Vorstellungen gemäß ein
Thermalbad. Die medizinischen Kompetenz Widmanns kam auch dadurch
zum Ausdruck, dass er vom Grafen Eberhard im Barte als Berater in medizinischen
Fragen zum Reichstag nach Worms mitgenommen wurde. Diese
Stadt schien ihm aufgrund der dort grassierenden Syphilis wichtige medizinische
Anregungen geliefert zu haben, wie sein im Jahre 1497 veröffentlichtes
Büchlein mit dem Titel „tractatus de pustilis et morbo qui vulgato
de franzos apelui" zeigt.36
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