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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 231
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Offenhurger Slifterinnen im 19. Jahrhundert

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Vor allem Dienstbotinnen waren es auch, denen der Zins aus der zweiten
Hälfte der Stiftung zukommen sollte, genauer: „arme hiesige Dienstboten
, welche durch Zeugnisse nachweisen, daß sie 30 Jahre treu, redlich und
sittlich gedient haben."43 Dieser Berufsstand lag Babette Neriinger offenbar
besonders am Herzen, denn auch die bereits erwähnte Rosa Huber war
Dienstbotin gewesen, und zwar, so ist den offiziellen Unterlagen zu entnehmen
, verdingte sie sich als Haushälterin bei Witwe Neriinger.46 Rosa
Huber war zur Zeit der Testamentsabfassung bereits 48 Jahre alt und es lag
auf der Hand, dass sie im Falle des Todes ihrer „Herrschaft" nur noch
schwer eine neue Anstellung bekommen würde.47 Dieses Los teilte sie mit
vielen ihrer Berufsgenossinnen. Da es keinerlei gesetzlich geregelte Absicherung
für invalide oder alte Dienstbotinnen gab, waren sie auf das Wohlwollen
ihrer Arbeitgeber angewiesen. So kam es öfter vor, dass diese das
Eintrittsgeld für ein örtliches Spital bezahlten, in dem ihre Dienstboten
dann den Rest ihres Lebens zubringen konnten. Oder sie verpflichteten testamentarisch
ihre Nachkommen zur Übernahme des alten Hauspersonals.
In den meisten Fällen blieb den Betroffenen jedoch nichts anderes übrig,
als bei der zuständigen Armenkasse um Almosen zu bitten. Vielerorts gab
es aber auch Stiftungen wie die hier beschriebene, von Babette Neriinger
eingerichtete, aus deren Erträgen den Dienstboten quasi eine Rente finanziert
wurde.48 Mithin handelt es sich hier also um die private Übernahme
einer eigentlich kommunalen Fürsorgeaufgabe.

Doch zurück zu Rosa Huber. Nachdem „Jungfrau Rosa Huber dahier"
(so wurde sie offiziell genannt) über den Inhalt des Nerlingerschen Testaments
informiert worden war und man ihr mitgeteilt hatte, dass ihr jährlich
3,5 Prozent Zinsen zustünden, griff sie, offenbar erbost, zur Feder und teilte
dem Stiftungsvorstand mit, sie könne sich mit dieser Regelung nicht einverstanden
erklären: Üblich sei doch eine Verzinsung in Höhe von weit
über 4 Prozent - und sie folgerte daraus: „So dürfte es gewiß nicht unbillig
erscheinen wenn mir eine vierprozentige Rente (...) zugesagt würde".49
Die Stiftungskommission konnte den Einwand nicht einfach übergehen, es
wurde nachverhandelt, und schließlich einigte man sich auf 3,75 Prozent,
das entsprach 375 Gulden im Jahr. Wie berechtigt der Einspruch von Rosa
Huber tatsächlich war, geht aus einem Schreiben hervor, das Stiftungsverwalter
König anschließend an die Kreisregierung richtete, der gegenüber
die Stiftung zur Rechenschaftsablegung verpflichtet war. Bei den aus der
Erbschaft erhaltenen Wertpapieren handele es sich, so führte er aus, um
Pfandurkunden, die größtenteils mit 5 Prozent, zum geringeren Teil mit 4,5
Prozent verzinst seien, so dass „bei dem mit Rosa Huber getroffenen Ue-
bereinkommniß dem Armenfond (...) alljährlich noch ein erklecklicher
Zusammenschluß verbleibt."50 Inwieweit es die Stiftungsverwalter gefuchst
hat, dass sie zunächst nicht über die Zinsen verfügen durften, sondern
lediglich als „Geldausgabeorgan" fungieren sollten, lässt sich natürlich
nicht mehr klären.


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