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Dieter K. Petri
Aus der Begehung im Sommer 1890 geht hervor, dass die jüdischen
Schüler inzwischen für den normalen Unterricht in der katholischen Schule
untergebracht sind. Die Israelitische Schule wird lediglich noch für den jüdischen
Religionsunterricht und für die „Industrieschule" benutzt. Es wird
beanstandet, dass die Bänke ungünstig aufgestellt sind und die Schüler am
Abend in die Sonne sehen müssen. Auch der „Geruch der Abtrittgrube" mache
sich unangenehm bemerkbar. Es fehle eine solide Abdeckung. Der Lehrer
, dem der obere Stock als Lehrerwohnung zugewiesen ist, bemängelt das
Fehlen eines Ablaufes für das Küchenwasser. Deshalb müsse er den Eimer
aus dem Fenster entleeren. Er wünscht, dass die Laube auf der Nordseite
verglast werde. „Es sei für ihn lästig, dass der Stall an einen Landwirt verpachtet
sei, dessen Düngerstätte er auf seinem Hof dulden müsse."31
Schulzimmer als stille Reserve
Im September 1899 beantragt Lehrer Wimpfheimer im Blick auf den anstehenden
Winter beim Synagogenrat einen neuen Ofen. Ferner wünscht er
sich im Keller die Errichtung einer Waschküche, was damals zu den neuen
Errungenschaften zählte. Beides wurde abgelehnt. Der alte Ofen tue es
noch und für die Wäsche gäbe es eine örtliche Waschküche. Im Übrigen
sei das Jahresbudget für die Schule bereits erschöpft. Später wollte Wimpfheimer
den Stall neben dem Haus mieten mit der Begründung, er wolle
darin Holz lagern. Er klagt, beim „Aus- und Eintreiben des Viehs" würden
regelmäßig seine Hühner verscheucht.32 Die Lehrerwohnung in der ehemaligen
Israelitischen Schule war inzwischen von der politischen Gemeinde
gepachtet worden. Da der Synagogenrat nicht viel in das Gebäude investieren
wollte, spielte der Gemeinderat mit dem Gedanken, die Lehrerwohnung
zu kündigen und dem Lehrer dafür ein Wohngeld zukommen zu lassen
. Das Bezirksamt war damit jedoch nicht einverstanden. Die Bereitstellung
einer Lehrerwohnung gehörte zu den unverzichtbaren Pflichten des
örtlichen Schulträgers.
Im Frühjahr 1910 kam der Wunsch auf, die Schüler der Simultanschule,
die sich mit zwei Klassenzimmern im Rathaus begnügen mussten, aufzuteilen
und den Schulsaal in der ehemaligen Israelitischen Schule wieder zu
nutzen. Der Oberschulrat in Karlsruhe beschied diesen Antrag positiv:
„Als dritter Schulsaal kann der von der Gemeinde gemietete, ehemalige
Schulsaal der israelitischen Gemeinde benützt werden, wenn er ordnungsgemäss
in Stand gesetzt worden ist".33 1912 beriet der Gemeinderat über
den Bau eines eigenen Schulhauses. Die Mittel sollten durch einen „außerordentlichen
Holzhieb" beschafft werden. Der Erste Weltkrieg jedoch verhinderte
eine Verwirklichung dieses Vorhabens. Erst 1929 erhielt Altdorf
ein eigenes Schulhaus mit vier Klassenzimmern. Die ehemalige Israelitische
Schule wurde nun nicht mehr benötigt.
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