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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 307
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Nur die Spitze des Eisbergs

307

von Leonow genannten Personen nicht auf der Totenliste unter dem Datum
des 12. April vermerkt sind, beweist, dass sie nicht zu den Opfern des
Massakers an Häftlingen des Flossenbürger Bauzuges gehörten.

Diese Totenliste, die auch im Stadtarchiv Offenburg vorhanden ist, bezieht
sich laut Staatsanwaltschaft „mit großer Wahrscheinlichkeit auf den
von Leonow genannten Häftlingstransport" (Baubrigade Flossenbürg). Das
heißt, dass während des Aufenthalts des Bauzuges vom 26. März bis zum
13. April, innerhalb von 18 Tagen 76 Häftlinge dieses Bauzuges starben.
Wenn man bedenkt, dass noch weitere drei SS-Baubrigaden, deren Tote
nirgends verzeichnet wurden, für einen längeren Zeitraum in Offenburg
verweilten, muss man vermuten, dass sich noch weitere unentdeckte Massengräber
in und um Offenburg befinden.

Erst im Herbst 2005 stießen Bauarbeiter bei den Umbauarbeiten des
Stuttgarter Flughafens auf ein Massengrab von ehemaligen KZ-Häflingen
des Arbeitskommandos „Echterdinger Flughafen". Nachdem schon unmittelbar
nach dem Krieg dort ein Massengrab exhumiert wurde, wurde
durch Zufall 60 Jahre nach Kriegsende ein weiteres Massengrab entdeckt.
Die an der Universität Freiburg forschende Historikerin Isabel Heinemann
wies in einem Interview mit dem Spiegel darauf hin, dass sich noch viele
unentdeckte Massengräber ermordeter KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter
auf dem Gebiet der Bundesrepublik befinden, welche kaum wiederentdeckt
werden könnten, weil Dokumente oder sonstige Spuren zu Kriegsende
vernichtet wurden.

Auch in der staatsanwaltlichen Wiedergabe des Briefs von Nikolai Leonow
ist zu lesen „Die Leichen der Ermordeten seien am Stadtrand von Offenburg
in Bombentrichtern verscharrt worden. " Die Praxis, tote Häftlinge
einfach irgendwo in Massengräbern beizusetzen, entsprach den Gepflogenheiten
aller Stamm- und Außenlager. Dass die KZ-Häftlinge des Bauzuges
Flossenbürg auf einem vorhandenen Friedhof begraben wurden, stellt eine
Ausnahme dar. Bei den anderen in Offenburg stationierten SS-Baubrigaden
war die Praxis eine andere. Hier wurden tote Häftlinge an beliebigen Stellen
in Massengräber geworfen, begraben und alle Spuren, die auf das Massengrab
hätten hinweisen können, wurden beseitigt. Dieses Vorgehen spiegelt
sich in einem Massengrab am Offenburger Güterbahnhof wider, das
von einem Bahnarbeiter zufällig entdeckt wurde. Im Jahr 1946 fielen dem
Mann bei Gleisarbeiten mehrere Erdhügel auf, wobei er glaubte, Soldatengräber
gefunden zu haben. Bei der Grabung stieß man jedoch zwei Meter
unter der Erde auf die Leichen von 17 KZ-Häftlingen, die durch ihre weißblau
gestreifte Häftlingskleidung eindeutig gekennzeichnet waren.12 Bei
Nachforschungen gab ein Bahnmitarbeiter länger als ein Jahr nach dem
Vorfall zu Protokoll, dass die Häftlinge bei einem Luftangriff im Februar
1945 ums Leben gekommen seien, also zu einem Zeitpunkt, da sich der
Flossenbürger Bauzug noch nicht in Offenburg befand. Der Bahnarbeiter


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