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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 329
(PDF, 120 MB)
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Die kleine Friedhofsglocke von St. Michael in Sasbach

329

Gemeindearchiv. Nach dem Krieg konnte die kleine Glocke endlich, unter
Bürgermeister Zeller, von Totengräber Hermann Fischer wieder am alten
Platz auf der Friedhofkapelle aufgehängt werden."

Im zweiten Weltkrieg 1942 wiederholte sich die Beschlagnahmung der
Kirchenglocken. Das wertvolle Bronzemetall wurde wieder für die Rüstung
gebraucht. Betroffen waren die Glocken der Pfarrkirche St. Brigitta,
die im Jahr 1923 wieder beschafft worden waren. Auch die kleine Glocke
vom Friedhof sollte zum zweiten Mal abgeliefert werden. Zimmermeister
Anton Bühler erhielt den Auftrag, die Glocken vom Kirchturm abzuseilen
und nach Achern an den Bahnhof zu transportieren.

Durch die Ablieferung der Glocken war eine gedrückte Stimmung im
Ort, besonders bei den älteren Einwohnern, die wussten, was es „geschlagen
" hatte. Die Bürger spürten, dass der Krieg gegen die halbe Welt noch
lange dauern könnte und ausgehen werde wie im Ersten Weltkrieg, doch
laut aussprechen durfte es niemand.

Manche mögen den Verlust der Kirchenglocken nicht so wehmütig gesehen
haben, denn für den „Endsieg" musste alles Verfügbare mobilisiert
werden. Der Klang der Kirchenglocken schien im „Tausendjährigen
Reich" für Einige auch überflüssig zu sein.

Auf der Nordseite des Kirchturmes, gegenüber der Bäckerei Seifermann
, seilten die Zimmerleute mittels Stahlseilen die Glocken auf die darunter
stehenden Wagen ab. Wie auf den Fotos zu sehen, verfolgten viele
Kinder dieses außergewöhnliche Ereignis. Einer der Buben, Ernst Striebel,
ließ sich mutig am Stahlseil hängend zum Glockenturm hochziehen. Den
Ernst der Kriegslage konnten die Kinder nicht erahnen.

Die kleine Glocke vom Friedhof blieb auch nicht verschont, sie sollte
wieder für den Krieg geopfert werden. Um die Mittagszeit, als „die Luft
rein war", d. h. als niemand auf dem Kirchplatz zu sehen war, verschwand
die kleine Glocke hinter der Ladentheke der Bäckerei Seifermann. Die
herzhafte, tüchtige Bäckersfrau Fanni Seifermann verdeckte die kleine
Glocke mit einem davorgestellten Weckenkorb. Im leerstehenden Entenstall
der Bäckerei hinter Stroh war nun das erste Versteck der kleinen Glocke
. Die in Achern am Bahnhof auf Waggons verladenen Glocken wurden
von einer Kontrolle auf die Stückzahl überprüft. Dabei wurde die kleine
Glocke vermisst. Zimmermeister Anton Bühler erklärte daraufhin: „Die
steht unter der großen Glocke, damit sie nicht abhanden kommt!" Die
Kontrolleure fanden diese Vorsichtsmaßnahme in Ordnung und schöpften
keinen Verdacht. Nur mit einem Flaschenzug oder mit einer Winde hätte
man die 1.485 kg schwere, große Glocke zur Kontrolle hochheben können.

Trotz „papiermäßiger" vollständiger Ablieferung der Glocken war man
sich der Gefahr bewusst, auf die man sich eingelassen hatte. Man befürchtete
doch noch Nachforschungen über den Verbleib der kleinen Glocke. Es


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