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Zum Gütlicher oder Gutachtäler Haustyp und historische Bauernhäuser in Gutach
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Bau dieser Form" (des Gutacher Haustyps, d. Verf.); tatsächlich aber führten
dendrochronologische Untersuchungen zum Baujahr 1612. Aber selbst
wenn der Vogtsbauernhof bereits im Jahre 1570 erstellt worden wäre, würde
er vom Alter des erst vor kurzem umgebauten und modernisierten Altenvogtshofs
in Wolfach-Kirnbach noch um einige Jahre übertroffen. Dieses
eingeschossige Haus, das alle charakteristischen Merkmale des Gutachtäler
Haustyps aufwies, wurde nämlich schon im Jahre 1565 erbaut,
was u.a. die im Bug über dem rechten Eckständer der Stube des Altenvogtshofs
eingeschnittene Jahreszahl belegt.33 Wohl wegen des hohen Alters
und der charakteristischen Baukonzeption wurde es um die vorletzte
Jahrhundertwende vom Badischen Architekten- und Ingenieurverein unter
Leitung von Prof. B. Kossmann in seinem ursprünglichen Zustand dokumentiert
.34 Da die Zeichnungen mit der seinerzeitigen Bauaufnahme des
Hofgebäudes (Bilder 9 und 9a) hinsichtlich der Gebäudekonstruktion und
Raumaufteilung des Altenvogtshofs für sich sprechen, sei hierzu nur kurz
ergänzt, dass der leicht gewölbte Rauchfang (Bild 9a, Schnitt A - B) nicht
nur die Höhe der Küche, sondern auch die Stockhöhe des eingeschossigen
Eindachhauses bestimmte. Der Rauch vom Herd und Kachelofen musste
bei dem kaminlosen Haus wie bei den Kinzigtäler Häusern über die so genannte
Rauchbühne (später auch als Nussbühne oder Dörre benutzt) ins
Freie entweichen. Aus diesem Grunde verzichtete man oberhalb der Stube
und des Leibgedingstübles auf die jeweils letzte waagerechte Bohle in der
Außenwand (Bild 9a). Durch die Rauchbühne bedingt sind die Decken in
der Stube und dem Leibgedingstüble bzw. der Kammer niedriger als im
Hausgang.
Der 1565 erbaute und erst kürzlich umfassend modernisierte Altenvogtshof
in Wolfach-Kirnbach war gemäß der Typenbezeichnung von
Schilli oder Schnitzer eindeutig ein Gutacher bzw. Gutachtäler Haus und
existierte bereits drei Jahre, bevor die „Newe Bawordnung des Fürsten-
thumbs Wurtemberg" am 1. März 1568 in Kraft trat. Das heißt, die Bauordnung
aus dem Jahre 1568 kann diesen Haustyp weder ausgelöst noch
geschaffen haben. Sinngemäß so beurteilt auch die Forschergruppe um
Prof. Schnitzer den Sachverhalt; sie äußerte sich (1989) wie folgt: „Dieses
Gebäude (der Altenvogtshof in Wolfach-Kirnbach, d. Verf.) ist das älteste
noch erhaltene Gutachtäler Haus, es wurde bereits drei Jahre vor
Erlassen der württembergischen Landesbauordnung erstellt. Damit erweist
sich die Vermutung (Schilli 1953), dass der Herzog von Württemberg
mit der Landesbauordnung von 1568 im Schwarzwald einen neuen
Haustyp geschaffen habe, als unzutreffend".36 Bei dieser Sachlage ist
nicht nachzuvollziehen, warum sich einige Autoren die schillische Vermutung
immer noch zu Eigen machen und sie in ihren Publikationen als feststehende
Realität übernehmen, ohne hierfür konkrete Fakten oder Quellen
zu benennen.37
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