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Hans-Jochen Schuck
manglung von Wasser beherzt und geistesgegenwärtig mit Moscht und
Wein gelöscht worden war und dadurch Schlimmeres verhütet werden
konnte. Daraufhin hatte der Versicherungsagent dem Rebstockwirt nahegelegt
, den als Löschmittel eingesetzten Festwein unter - versteht sich - großzügigster
Auslegung dem zu ersetzenden Brandschaden hinzuzurechnen.
Nun wäre es eine schöne Vorstellung gewesen, zur Silberhochzeit des
Huber-Toni und der Therese den damals weit über Gebühr erstatteten Betrag
für Feuerlöschwein wieder in edlen Festwein umzuwandeln. Doch die
Zeiten und Umstände waren nicht so.
Der Rebstock war im Februar 1914 zum Teil abgebrannt, der Wirt Josef
Bruder längst verstorben, an seine Stelle 1904 der tüchtige Leo Schätzle
getreten, dessen Sohn und Enkelin bis zum kompletten Umbau 1985 das
Haus in alter Tradition weiterführten; Karl Lehmann, seit Kriegsbeginn
Frontlazarettarzt, ruhte seit eineinhalb Jahren in französischer Erde; drei
Söhne des „silbernen Jubelpaars", denen zum Jubeln nicht zumute war,
standen an der Front, einer, der Anton, ist gefallen, Hermann schwer verwundet
mit nur einem Bein heimgekehrt; durch das Aufkommen synthetischer
Gerbstoffe hatte der Huberhof sein wirtschaftliches Standbein verloren
und kämpfte ums Überleben. Kurz: Zu Beginn des dritten Kriegsjahres
1917 sah niemand einen Anlass zum Feiern.
Vom alten Rebstock als sozialem Zentrum des Dorfes ist außer dem
überkommenen Namen nichts mehr vorhanden, auch die Glocke, um die
fast zwei Jahrhunderte zwischen jeweiligem Rebstockwirt und Gemeinde
gestritten worden war, ist nach ihrer Abnahme um 1906 verloren gegangen
.7 An markanter historischer Stätte zwischen Pfarrkirche und Rathaus
steht jetzt ein den Einheimischen fremdes Hotel für Bustourismus - das ist
der Lauf der Dinge.
Anmerkungen
1 Kauß, Dieter: Manuskript zum dorfgeschichtlichen Seminar anlässlich der 750-Jahr-
feier von Ohlsbach, Mai 1984, unveröffentlicht, 7.
2 Ebd., 12 f.
3 Ebd., 4.
4 Die Angaben sind dem Kirchenbuch Ohlsbach entnommen oder stammen aus Gesprächen
, die ich dankenswerterweise mit Lydia Roth, Gengenbach, sowie Josef und Albert
Huber, Ohlsbach, führen durfte.
5 An das Hochzeitsfest hat sich Adolf Geck 25 Jahre später im „Alt Offeburger", Februar
1917, erinnert.
6 Näheres zur „Villa", seinen Gästen und Bewohnern sowie zur ungewöhnlichen Vita
von Karl Lehmann siehe Schuck, Hans-Jochen: „Villa Brandeck" in Hinterohlsbach
und die Sozialdemokratie, in: Die Ortenau 85, 2005, 417.
7 Schülj, Sepp: Blätter zur Ohlsbacher Ortsgeschichte, unveröffentlicht, o. J.
Hans-Jochen Schuck, Im Hubfeld 46, 77797 Ohlsbach
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