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Cornelius Gorka
die Gerichtsbarkeit erster Instanz in Privat- und Strafrechtssachen, das Notariatswesen
sowie alle Bereiche der inneren Verwaltung und der Polizei,
welche ihm zugewiesen waren. Dazu gehörten insbesondere die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Ausstellung entsprechender
Genehmigungen und Ausweise, die Einhaltung der Rechtsvorschriften
und die Aufsicht über die Gemeinden. Im Jahre 1819 kam noch
als weitere Aufgabe die Konskription (Aushebung zum Militärdienst) hinzu
, so dass sich regelmäßig junge Männer im Amtshaus der Musterungskommission
stellen mussten. Dem Amtsvorsteher unterstand auch die Wol-
facher Gendarmeriestation, die ebenfalls im Schloss untergebracht war.
Das Bezirksamt Wolfach war grundsätzlich an den Amtstagen für den
Publikumsverkehr geöffnet. Amtstage waren gewöhnlich die beiden
Markttage Dienstag und Freitag. Im Übrigen konnten Bürger nur auf Vorladung
oder in besonders dringenden Fällen beim Bezirksamt vorsprechen.
An der Spitze eines badischen Bezirksamts stand ein juristisch ausgebildeter
Beamter als Amtsvorsteher, der den Titel „Oberamtmann" (ab 1924
„Landrat") führte. Er repräsentierte gewissermaßen „den Staat vor Ort"
und hatte die entsprechenden Anweisungen der Regierung umzusetzen.
Gewöhnlich war neben dem Oberamtmann noch ein weiterer Amtmann bei
der Bezirksverwaltung tätig. Außerdem besaß jedes Bezirksamt eine Anzahl
von Aktuaren, Sekretären und Schreibern, die den Kanzlei-, Rech-
nungs- und Registraturdienst versahen. Einfachste Schreibtätigkeiten erledigten
Dekopisten (Kopierer aus Fleisch und Blut), die nach 1900 durch
Maschinenschreiberinnen ersetzt wurden. Außerdem hatte jedes Amt einen
Amtsdiener, der als Amtsbote, Hausmeister und Kutscher fungierte.
Im Jahr 1857 wurde in Baden die Justiz von der Verwaltung getrennt
und eigenen Amtsgerichten übertragen. Seitdem gab es im Wolfacher
Schloss neben dem Bezirksamt ein eigenes Amtsgericht, das im südlichen
Schlossflügel eingerichtet wurde, wo es sich bis heute zusammen mit dem
Notariat befindet. Das badische Bezirksamt blieb im Nord- und Westflügel
ansässig. Im gleichen Jahr 1857 wurde außerdem das Bezirksamt Haslach
aufgehoben und seine Gemeinden dem Bezirksamt Wolfach eingegliedert.
Das Bezirksamt Wolfach nahm dadurch sowohl an Bedeutung wie auch an
Personal zu, das im Schloss untergebracht werden musste.
Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Nach der deutschen Revolution von 1918/19 wurde aus dem „Großherzoglichen
Bezirksamt" ein „Badisches Bezirksamt". Das Amtspersonal blieb
das gleiche, hatte aber seinen Diensteid auf die Weimarer Reichsverfas-
sung abzulegen. Der Großherzog verschwand von den Wänden und wurde
durch den Reichspräsidenten ersetzt. Über dem Wolfacher Schloss wehte
bei besonderen Anlässen die schwarz-rot-goldene Fahne.
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