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Wald im Wandel: Aufgabenschwerpunkte des Staatlichen Forstamts Oberkirch 1975 bis 2001 3 1 1
Vom Nadelwald zum Laubmischwald:
Die Steuerung des Baumartenwandels
Noch in den 1960er-Jahren dominierte das Nadelholz das waldbauliche
Denken in Mitteleuropa. Die Laubbäume waren nicht gefragt, das Nutzholz
für Möbel und Innenausstattung bezog man aus den Tropen, der Erlös
des Brennholzes deckte kaum die Gestehungskosten, jedermann - sogar
die mit eigenem Wald gesegneten Schwarzwaldbauern - heizten mit dem
billigen Öl, das nur einstellige Pfennigbeträge kostete. Umgekehrt war das
Holz der Nadelbäume begehrt, die Bauwirtschaft der Nachkriegszeit
boomte immer noch, auch das Zellstoffholz von Fichte und Tanne hatte zur
Deckung des steigenden Papierbedarfs einen guten Preis. In den amtlichen
Einrichtungswerken, den Gutachten für die zehnjährige Planung der waldbaulichen
Tätigkeit, wurden Anpflanzungen von Nadelbäumen auf Standorten
dekretiert, die eigentlich aufgrund ihrer Standortverhältnisse für die
Nachzucht natürlich dominanter Laubbäume hätten in Betracht kommen
müssen. In vielen öffentlichen Wäldern des Landes begann zwar schon
bald nach dem Kriegsende dank der bewundernswerten Initiative der Wissenschaftler
Krauss, Schlenker und Müller die im Maßstab 1: 10 000 vorgenommene
Standortkartierung, die zum Vorbild für alle übrigen Bundesländer
wurde. Ihre Erkenntnisse über die ursprüngliche Zusammensetzung
der Baumarten, die in Baden-Württemberg naturgemäß weit überwiegend
aus Laubbäumen bestanden, wurden dann aber von den Waldbaupraktikern
unter der Fragestellung interpretiert, welche Nadelbäume jeweils dem
Standort am ehesten zugemutet werden konnten. Die Abneigung gegen
Laubbäume steigerte sich in vielen Forstrevieren derartig, dass auf den
Kulturflächen die sich zwischen den Nadelholzpflanzen von Natur aus einfindenden
Laubholzsämlinge und -Schösslinge gewissenhaft eliminiert
wurden.
Diese Denkweise wich in den 1970er-Jahren einer erstaunlichen Neubesinnung
auf die Bedeutung des Laubholzes, getragen einerseits von der zunehmenden
Einsicht in die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Belange
des Naturschutzes bei der Baumartenwahl und andererseits einer langsamen
Wertsteigerung des Nutzholzes der Laubbäume, weil sich in der Bevölkerung
eine Abneigung gegen die Ausbeutung von Tropenwäldern
durchsetzte und die Möbelhändler bald auf ihren Beständen an Palisander,
Mahagoni und Makore (der als „Afrikanischer Birnbaum" schöngeredet
worden war), sitzenblieben; gefragt waren plötzlich wieder Möbel aus Eiche
, Buche, Kirsche, Ahorn, Esche und Erle. Auch das Brennholz konnte
plötzlich wieder gewinnbringend aufbereitet werden, als 1973/74 die erste,
heute schon fast vergessene Ölkrise (und das damals noch durchsetzbare
Sonntagsfahrverbot) schlagartig die Abhängigkeit der Verbraucher von den
Launen der Ölländer sichtbar machte.
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