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H.-R. Fluck/W. E. Schäfer
Sammelband mit Straßburger Gelegenheitsgedichten des 17. Jahrhunderts
in der einstmals Königlichen Bibliothek (später: Deutsche Staatsbibliothek
) in Berlin entdeckt hat.16 Der Sammelband galt jedoch nach dem II.
Weltkrieg in Berlin als verschollen. Unlängst konnten wir aber feststellen,
dass der Band erhalten geblieben ist und - wie viele andere während des
II. Weltkriegs verlagerte Bücher aus dem Bestand der Berliner Bibliothek -
heute in der Krakauer Biblioteka Jagiellonska - unter der alten Signatur Yf
6802 - gut verwahrt wird. Er enthält noch weitere bisher nicht erfasste
Texte Quirins, in diesem Beitrag vorgestellt unter Nr. 1 und 3.
Isaac Malleolus, dem dieses erste Trauergedicht gewidmet ist, starb im
Alter von 82 Jahren. Er hatte sich als ein der aristotelischen Physik zugewandter
Universitätslehrer nicht nur mit Mathematik, sondern auch mit
Astronomie beschäftigt. Beides waren Fachgebiete, zu denen er in Straßburg
mehrere Lehrbücher und Kalender veröffentlicht hat. Quirin wird ihn
durch seinen Bruder, dessen Lehrer er war, kennengelernt haben. Der Gedichttext
selbst gibt darauf allerdings keinen direkten Hinweis, sieht man
von der allgemeinen Charakterisierung des Hochschullehrers als „alte
Stütz der Schul alhie" [langjährige Stütze der hiesigen Hochschule] ab.
E. Schmidt schätzte das Gedicht als „wenig originell und kraftlos" ein
und hielt es, zusammen mit anderen Gelegenheitsgedichten Q. Mo-
scheroschs, für „dürftig".17 Schmidts harsches Urteil ist inzwischen durch
eine differenziertere und sozialgeschichtlich orientierte Neubeurteilung barocker
Literatur revidiert worden18, wenngleich dieses 10-strophige Trauergedicht
sicher noch keinen Höhepunkt im dichterischen Schaffen Q. Mo-
scherosch darstellt - und darstellen konnte. Denn 1645 stand er mit seinen
22 Jahren noch im Studium und hat daher seine poetischen Fertigkeiten
erst in den Folgejahren in Nürnberg (bei G. Ph. Harsdörffer) und Straßburg
(u. a. bei seinem Bruder Johann Michael und bei J. M. Schneuber19) gründlicher
ausbilden und entwickeln können. Insofern muss dieser Text sicher
zu seinen ersten, noch teilweise ungelenken poetischen Gehversuchen gerechnet
werden.
Weitere Beiträger aus dem Straßburger Umfeld waren der Dichter Johann
M. Schneuber, der Lingolsheimer Pfarrer Elias Kolb, Magister Samuel
Brothagius (aus Emmendingen), der ,,Philomat[ematicus]" und Verleger
Eberhard Welperus, dazu kamen Friderich Reuchlin, G. C. Schumann
und H. L. Holler.
3) Im zuvor genannten Sammelband mit Straßburger Gelegenheitsgedichten20
findet sich noch eine weitere Schrift mit Leichencarmina, die bisher
in der Literatur zu Q. Moscherosch nicht verzeichnet ist:
Leich-gedichte Bey der Begräbnus Herrn Ulrich Constantin Geigers/
Gewesenen SchirmgerichtsSchreibers und Pfundzollers der Statt Straßburg
. Welcher nach lang außgestandender beschwerlicher Kranckheyt/ auß
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