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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 93
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Franz von Papen als Wendelinusreiter

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„ Unser Pfarrherr lehnt die Papen sehe Politik entschieden ab. Wie er mir
zu verstehen gab, hindere ihn das aber nicht, mit Herrn von Papen ein
freundschaftliches Verhältnis zu haben und mit ihm zu verkehren. Pfarrer
Bigott meint, man müsse auch mal vergessen können und einen neuen Anfang
suchen. Er ist der Ansicht, dass das Nazireich auch ohne Herrn von
Papens Steigbügelhalterdienst über uns eines Tages hereingebrochen wäre.
Leider hat unser Pfarrherr die Erfahrung machen müssen, dass viele , gute
' Katholiken, die 1933 plötzlich ihr braunes Herz entdeckten, 1945 Per-
silscheine der Pfarrämter brauchten, heute wieder sich überall arg kirchentreu
gebärden und am lautesten schreien, wenn Papen in Nußbach auf
einem Gaul sitzt. (...) Unser Pfarrherr meint auch, dass von Papen am
Reichskonkordat nicht ganz unschuldig ist, was heute die Rechtsgrundlage
für unsere Kirche in Deutschland darstellt. Er ist eben den falschen Weg
gegangen, menschliches Versagen. "21

Papen war 1956 auch zu Bigotts silbernem Priesterjubiläum eingeladen,
der sich vieler Kontakte zu deutschen und französischen Persönlichkeiten
rühmte. Die fehlende Fähigkeit zur kritischen Reflexion der NS-Vergangenheit
war sicher kein charakteristisches Merkmal des Nußbacher Ortspfarrers
, sondern ein Spezifikum eines Großteils der westdeutschen Gesellschaft
der 1950er-Jahre. Immerhin wiederholte Pfarrer Bigott seine Einladung
nach dem erneuten Eklat 1957 nicht wieder.

Deutsch-französische Versöhnung und die europäische Vision

Der Nußbacher Wendelinusritt 1957 beschäftigte erneut die publizistische
Öffentlichkeit. In diesem Jahr beging man den Jahrestag der 200-jährigen
Kapellen weihe. Der damalige Straßburger Fürstbischof Louis Constantin
de Rohan hatte sich wegen Streitigkeiten mit der Kloster Allerheiligen um
die Abtswahl geweigert, selbst ins Renchtal zu kommen oder durch einen
seiner Weihbischöfe die neu erbaute Wendelinuskapelle zu benedizieren zu
lassen. Pfarrer Fridolin Bigott kam auf die Idee, das damals Versäumte
nachzuholen und den Straßburger Bischof Jean Julien Weber zum Jubiläum
einzuladen. Nur zwölf Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges geschah
das Unerwartete: Bischof Weber kam nicht nur mit 40 Alumnen des Straßburger
Priesterseminars und der Choralschola nach Nußbach. Er selbst ritt
hoch zu Ross mit der Prozession hinauf nach St. Wendel. Damit setzte er
ein mutiges Zeichen deutsch-französischer Versöhnung. Deutsches und
französisches Fernsehen strahlten Bilder des Ereignisses aus, in der gesamten
französischen Presse war das Bild des reitenden Bischofs zu sehen.

In Frankreich wurde Weber von nationalistischen Kreisen kritisiert, weil
er sich zu dieser populären Versöhnungsgeste gegenüber dem deutschen
„Erzfeind" herbeigelassen hatte. Geistliche Würdenträger seiner Diözese


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