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Martin Ruch
Über den Freitagabend im Rust des ausgehenden 19. Jahrhunderts
schrieb Rosalie Hauser (1840-1924): „Nur mit Wehmut denke ich an die
Freitagabende, die einzig in ihrer Art waren, zurück. Da wurden zur genau
bestimmten Zeit die Geschäfte geschlossen, alle Arbeit abgebrochen und
man kleidete sich festlich für den Synagogenbesuch. Nach dem feierlichen
Gottesdienstbesuch versammelte sich die Familie im schön geschmückten
und festlich erleuchteten Zimmer, wo vorschriftsmäßig zwei übereinander-
gelegte weiße Tücher den Tisch bedeckten. Auf Vaters Teller lagen 2 Ber-
ches (Mohnzopf) mit einem schön gearbeiteten Deckchen bedeckt. Vor und
nach dem Mahl wurden fromme Lieder gesungen. Das Ganze hatte etwas
Feierliches, Weihevolles und man überließ sich gerne diesem Gefühl, nach
einer Woche voller Arbeit und Mühe. (...) Wir gehörten nicht zu den aller-
frommsten, die sich Samstags nicht einmal seifen oder ihre Haare kämmen
durften; aber wir zündeten an diesem Tage weder Feuer noch Licht selbst
an, berührten solches sogar nicht einmal. Die Speisen auf Samstag bereiteten
wir am Freitag schon. Das Licht- und Feueranzünden besorgte die
, Schabbesmagd'"12
„Die Friesenheimer Juden ließen sich diesen Dienst von befreundeten
Christen oder Nachbarskindern, die am Morgen ins Haus kamen, besorgen.
Manche ältere Friesenheimer erinnern sich noch an das Berchesbrot (Sabbatbrot
), das sie als Dank für ihre Dienste als ,SchabbesgoV erhielten. "13
Nonnenweier: „Zum Feuermachen kam am Sabbat eine christliche
Frau, Schabbesgoia genannt. Morgens und abends kümmerte sie sich um
das Feuer im Herd, im Winter machte sie auch Feuer in den Heizöfen. Sie
erhielt am Schabbes ein Stück Sabbatbrot und etwas Obst, entlohnt wurde
sie am Jahresende. Auch christliche Kinder übernahmen diese Aufgabe. In
manchen Familien war aber dieser Brauch nicht mehr wirksam, man überwachte
selbst das Feuer und zündete auch Licht an. "u
An die Schulzeit erinnerte sich ein Jude aus Nonnenweier: „Als ich nach
Lahr ins Gymnasium kam, durfte ich am Sabbat oder an den Feiertagen
nicht mit der Bahn fahren. Mein Vater hat mir in Lahr ein Bett gemietet zum
Übernachten, und ich mußte am Samstag nach Schulschluß zu Fuß die ungefähr
elf Kilometer von Lahr nach Nonnenweier durch Feld und Wald gehen.
Am Samstag und an Festtagen durfte ich in der Schule nicht schreiben. "15
„Jüdische Schüler aus Schmieheim, Altdorf, Rust und Kippenheim, die
sonst mit dem Fahrrad zum Gymnasium nach Ettenheim fuhren, kamen am
Sabbat zu Fuß den weiten Weg, denn Radfahren war körperliche Tätigkeit,
war Arbeit und damit untersagt. (...) Zum Straßenbild von Altdorf gehörten
damals am Samstag festlich gekleidete frohgestimmmte, spazierengehende
Juden. Mir ist noch gut gegenwärtig, wie meine Geschwister und ich von
unserer Nachbarin ins Haus gerufen wurden, um ein Streichholz anzuzünden
, und es dann unter Papier und Späne zu halten. Für solche und ähnliche
kleine Dienste gab es dann immer ein ,Gutsili'"16
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