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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 108
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Martin Ruch

die Heimat so schön gefunden, wie fast noch nie, - den blauen Himmel und
die herb-frische Luft und viele einfache Menschen. Die Sedernächte, die
Du wohl nur aus der Oper oder dem Roman kennst, haben auf mich wieder
gewirkt wie ein erlebtes Märchen, das mich mit den Jahrhunderten vor mir
verbindet. "25

In den meisten jüdischen Familien Offenburgs wurde ebenfalls der Se-
derabend begangen. Siegfried Schnurmann wusste noch, dass man überall
einen speziellen Teller dafür hatte.26

Das Museum im Ritterhaus besitzt in seiner Judaica-Sammlung einen
solchen Sederteller aus Zinn aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Er
wurde 1983 zur Vervollständigung der Sammlung im Straßburger Handel
erworben und trägt die hebräische Umschrift: „Das ist das Brot des Elends,
das unsere Väter im Land Ägypten gegessen haben."27 (Abb. S. 107).

Dorothea Siegler-Wiegand (geb. 1920) erinnerte sich noch im Mai 2008
bei einem Gespräch mit dem Verfasser an Besuche im Haus der jüdischen
Großeltern Joseph und Rosa Lion in Euenheim. Sie war damals etwa sieben
Jahre alt: „Es war immer ein Gefühl wie in einen warmen Mantel eingehüllt
, so heimelig war es dort. Großmutter war eine Seele von Mensch.
An Pessach lagen auf dem Sederteller die verschiedenen Speisen, bittere
Kräuter und Süßes. Ich erinnere mich, daß Großmutter immer dafür sorgte,
daß ich die bitteren nicht essen mußte. Am Sabbat brach Großvater die
Barches und segnete den Wein. An Chanukka wurden Kerzen angezündet.
Großvater war ein frommer Jude und beachtete die Speisegesetze. Als er
krank bei uns zu Hause in Offenburg lag, besorgte ihm meine Mutter koschere
Speisen. Ich hörte über ihn, daß er auf die Melodien bekannter
deutscher Volkslieder hebräische Texte in der Synagoge gesungen habe. "

Auch für Nonnenweier ist diese musikalische Praxis belegt: Während
am Sabbat der Kantor alle Gebete selbst vorbetete, haben an den Feiertagen
auch Laien das Musafgebet gesungen. „Ich erinnere mich an etwa drei
sogenannte Baal Tefilot (Laienvorbeter); sie verwendeten die Melodien
von alten deutschen Volksliedern, z. B. , Sommers letzte Rose\ Es war natürlich
eigenartig, hebräische Lieder nach Volksliedermelodien zu hören
und ich habe das immer besonders genossen. "28

In Erinnerung an den überstürzten Auszug aus Ägypten isst man an Pessach
Matzen in Anlehnung an den Bibeltext: „Und das Volk trug den rohen
Teig, ehe er durchsäuert war ..(2. Buch Mose 12, 34).

Altdorf: „Vor Pessach herrschte auch in Kaufmanns ,Matzen-Bäckerei'
Hochbetrieb. Schon wochenlang vor dem Fest hatten so manche Altdorfer
eine Anstellung und damit willkommenen Verdienst gefunden. Nicht nur für
die Altdorfer Juden wurden die Matzen gebacken, diese Fladenbrote wurden
an viele Judengemeinden in ganz Deutschland verschickt."29

Nonnenweier: „Die Matzen wurden von dem in einem Nachbarort ansässigen
Matzenbäcker geschickt, entweder in großen Paketen, oder ein


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