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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 123
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„Trenderle" und „Holegrasch": Spuren jüdischen Brauchtums in der Ortenau

123

Mesusa

Mesusa bedeutet eigentlich Türpfosten, bezeichnet aber eine meist längliche
Schriftkapsel am Türpfosten. Sie enthält einen Pergamentstreifen mit
der Aufschrift von zwei Abschnitten aus dem Alten Testament (5. Buch
Mose 6, 4-9 und 11, 13-21). Es ist ein alter jüdischer Brauch, sie am rechten
Türpfosten - vom Eintretenden aus gesehen - eines Wohnraumes oder
Wohnhauses (außer am Badezimmer bzw. der Toilette) anzubringen.

Ihre Bedeutung geht auf die Thora zurück, wo es heißt: „Du sollst die
Worte, die ich dir heute sage, schreiben an die Pfosten deines Hauses und
an deine Türe." (5. Buch Mose 6,9 und 11,20).

In einem traditionellen jüdischen Haushalt befindet sich nicht nur an der
Haustür, sondern an jedem Türrahmen eine Mesusa. Sie wird im oberen
Drittel des (von außen gesehen) rechten Türpfostens in einem Winkel von
45° geneigt angebracht, und zwar so, dass das obere Ende zum Raum
zeigt. Diese Anordnung entstand aus einer Diskussion unter den jüdischen
Gelehrten, ob die Mesusa senkrecht oder waagerecht anzubringen sei; als
Kompromisslösung einigte man sich auf diese geneigte Stellung.

An manchen ehemals jüdischen Häusern kann man auch in der Ortenau
noch Reste der Vertiefungen erkennen, in denen die Mesusa-Kapseln eingebettet
waren.

Baron Albert Roeder von Diersburg hat vor Jahren ein kleines Heimatmuseum
in einem Nebengebäude seines Landsitzes eingerichtet. Der Sandsteintürbogen
der Eingangstüre zum Museum stammt von einem ehemaligen
jüdischen Wohnhaus und die darin enthaltene Mesusa wird heute noch
im Museum aufbewahrt.67 Eine weitere Mesusa steckte in einer kleinen
Kapsel im Türrahmen der ehemaligen Judenschule in Altdorf und wird
vom jetzigen Eigentümer aufbewahrt.68

Verkauft ein Jude sein Haus an einen Nichtjuden, müssen alle Mesusoth
(Plural von Mesusa) abgenommen werden, damit sie nicht entweiht werden
. Susi Greilsheimer, 1926 in Offenburg geboren, antwortete auf die Frage
, was mit der Mesusa am Haus in der Gymnasiumstraße geschah bei der
Oktoberdeportation des Jahres 1940 nach Gurs: „Ja, die hab ich weggemacht
. An jedem Pfosten. Oben war noch die Farbe darauf, ich hab sie
mitgenommen. "69

1997 hat das Offenburger Museum im Rahmen einer kleinen Feierstunde
, bei der auch Mitglieder der Offenburger Jüdischen Gemeinde teilnahmen
, am Eingang zur neu eingerichteten Judaica-Abteilung eine Mesusa
anbringen lassen. Gestiftet hatte sie Dr. Erwin Neu (Paris), der Sohn des
letzten Synagogenvorstandes Emil Neu. Landesrabbiner Sousson vollzog
die rituelle Handlung.


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