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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 124
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Martin Ruch

Holegrasch

Dieses Fest der Namensgebung des Neugeborenen ist ein alter Brauch im
Südwesten, der an manchen Orten nur bei Mädchen, anderswo bei beiden
Geschlechtern ausgeübt wurde. Er wird in mehreren Quellen genannt.
Sylvia Cohn aus Offenburg hat ausführlich darüber geschrieben.

„Am 18. September 1926, am Jomhakipurim, nachmittags 5 Uhr, um die
Stunde der Seelenfeier kam unsere Esther Lore zur Welt. Ein rosa Strampelchen
, 6 Pfund 350 gr schwer, mit hellen, blauen Guckerchen, vielen
braunen Härchen, einem Stupsnäslein, einem süßen, fein geformten Mündchen
, das zur Begrüßung die ersten hellen Schreie hören ließ, ohne sich
lang bitten zu lassen - so stellte sie sich uns vor.

7. Oktober. Am Samstag, übermorgen, ist ,Holegrasch'. Da bekommt
unser Kindchen den Segen und empfängt offiziell seinen Namen. Damit ist
von altersher ein schöner Brauch verknüpft. Alle jüdischen Kinderchen
kommen zu der Feier ins Haus, heben dreimal den Wagen hoch, in dem das
Ganzkleine liegt, rufen dreimal: , Holegrasch, wie soll das Kindlein heißen
? ', Esther Lore' wird bei uns die hübsche Antwort lauten. Dann kommt,
soweit ich weiß, ein Segen und ein Gebet, alsdann nehmen die Kinder ihre
Zuckertüten in Empfang, die (so wills die Sitte) in einem Waschkorb aufgehäuft
bereit liegen. Dann trollen sie sich ab. Aber wehe der jungen Mutter,
die nichts Feines in die Tüten hineingetan hat! Und dreimal wehe, wenn sie
zufällig in Hansels ,Guck' (Tüte) ein Gutsele mehr hineinrutschen ließ als
in Gretels seine. Das wird sofort auf der Straße mit peinlicher Genauigkeit
geprüft und - gerichtet. Wie herrlich war das doch, - auch mir eine köstliche
Erinnerung aus dem Kinderland!

11. Oktober. Also am Samstag war Holegrasch. Ein goldiges Fest ist
daraus geworden und alles hat tadellos geklappt. (...) Herr Schnurmann
kam pünktlich und mit ihm ein ganzer Schwärm von Kindern, große und
kleine, Buben und Mädels. Ja, selbst die ganz Kleinen, die niedlichsten
Bürgerchen und Bürgerinchen unserer Gemeinde kamen auf dem Arm ihrer
Pflegerinnen und Kinderschwestern, um Esther-Lores Fest anzuwohnen.
(...) Und auch dann, als mein Kleines den Segen empfing, den Segen der
Religion, den Segen des Vaters, den Segen der Mutter, - auch dann hielt es
der Traumgott selig umfangen. WilVs Gott, daß unser Kind später im Leben
auch ein so dickes Fellchen habe (allerdings nur gegen Unangenehmes
), dann wird nichts so leicht es aus der Ruhe bringen. (...) Herr Rabbiner
Dr. Zlocisti erklärte mir übrigens die Bedeutung des Wortes, die ich
schon lange gern gewußt hätte. Es kommt aus dem Französischen und
heißt: ,haut la creche, ,Hoch die Wiege' und ist ursprünglich nur im
Brauch des Elsaßes und Süddeutschlands. "70


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