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Bräuche, Sitten und Traditionen aus dem einstigen
Flecken Willstätt
Ingrid Hahn
Der Schürdt
Am Montag nach dem Küchelsonntag fand in Willstätt der „Schurdi" statt.
Dieser alte Brauch bestand darin, dass am Nachmittag die Schulbuben
diesseits und jenseits der Kinzigbrücke zu einem Wettkampf antraten. Dabei
ging es sehr gewalttätig zu. Oft beteiligten sich zusätzlich die bereits
aus der Schule entlassenen Buben.
Mit großen Wasserbehältern oder Holzspritzen ging es aufeinander los
mit dem Ziel, die Gegner nass zu machen. Das Größte war, wenn es gelang
, dem Gegner eine Ladung Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die kleineren
Buben, die Mädchen und Frauen schafften in großen Zubern Wasser
heran, die an die Straße gestellt wurden. Ein großer Erfolg war auch, wenn
es gelang, dem Gegner die Wasserkübel umzukippen oder gar mitzunehmen
, um das Nachfüllen der „Schurbüchsen" zu verhindern. Für dieses
Prozedere wurden die ältesten Klamotten angezogen, die mehrmals, wenn
sie tropfnass waren, gewechselt werden mussten. Dorfchronist Johann
Jockers erinnert sich, dass es eine raue, aber schöne Sitte war.
Schlempeln
Junge Burschen machten sich einen Spaß daraus, Hausbewohner aus dem
Schlaf zu reißen. Einige alte Sensen wurden zusammen gebunden und an
den geschlossenen Fensterläden festgemacht. Durch ein Seil waren sie im
Versteck mit den Sensen verbunden und verursachten durch Ziehen ein
großes unangenehmes Geräusch. Es machte ihnen einen Heidenspaß, wenn
ein aus dem Schlaf gerissener Hausbewohner mit einem Prügel aus dem
Haus stürzte und meistens das Nachsehen hatte. Zuweilen war vor der Tür
ein Hindernis aufgebaut, über das der gereizte Hausbewohner der Länge
nach hinfiel.
Schnurren
Bei der Tabakernte wurde in der Regel abends in den Scheunen und
Schöpfen, meistens von den Frauen, Tabak „angestochen" (eingefädelt).
Mädchen und Burschen schlichen sich unbemerkt heran und uzten mit
verstellter Stimme die helfenden Leute. Es war ein humorvolles Hin und
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