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Der Zimmerer Waldbrief von 1389
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Diese Unsicherheit der Überlieferung muss in dieser Zeit in der ganzen
Region als verbesserungswürdig empfunden worden sein, denn alle Waldgemeinschaften
in der Nachbarschaft Zimmerns gaben sich während des
15. Jahrhunderts schriftliche Satzungen.
Bekanntlich grenzte unser Kirchspiel an einen Kreis von Waldgebieten,
die von mehreren Dörfern gemeinsam genutzt wurden. Im Norden lag der
Ulmhardt, im Westen der Korker Wald und im Südosten der Staufenberger
Hart.21 Sie gaben sich neue Statuten 1410, 1477 und 1478. Vergleichen wir
die Zimmerner mit denen der anderen Waldgemeinschaften, so müssen wir
einen wesentlichen strukturellen Unterschied zwischen ihnen feststellen.
Die Stiftung St. Martin bildet keine Genossenschaft, wie sie z. B. Kauß definiert
, dass sich selbständige Gemeinden zu einem bestimmten Zweck zusammenschließen
.22 Das Kirchspiel Zimmern war bereits ein geschichtlich
gewachsener Verband, eine überörtliche Pfarrei, weshalb das lateinische
Protokoll von 1389 seine Mitglieder auch als „prochiani", Pfarrangehörige,
bezeichnet, als sie die „Gottesgabe" erhalten, wie z. B. die Oppenauer Kirche
den „Oppenauer Hochwald" als Kirchspielgut zugewiesen bekam.23 Im
Zimmerer Waldbrief erscheint daher weder das Wort Waldgenossenschaft
noch Waldgenosse, die wir z. B. in den Regelungen des Korker Waldes,
des Moos- oder Önsbacher Waldes finden können.
In der Alltagswirklichkeit dürfte dies keine Auswirkungen gehabt haben
. Nutznießer des Freien Leute Waldes sind „der Kirchenherr und derselben
Kirchspielsluten, weite oder nahe darum gelegen,"24 genauso wie es
die einzelnen Bauern der zusammengeschlossenen Dörfer des Korker oder
Hartwaldes gewesen waren.25
Eine weitere Eigentümlichkeit des Zimmerner Briefes gegenüber den
anderen Ordnungen betrifft einen Passus, der wahrscheinlich schon in der
frühesten lateinischen Urkunde stand, „doch kheinem Vogt, noch Kayser,
noch König, noch einhem Edlen, wann allein mit dem Pfarrer derselben
Kürchen, die genannten Kirchspielslüthe über solchen Wald und desselbi-
gen gemeinschaft gesetzet".
Diese Beschwörung der ausschließlichen Verfügungsgewalt in den
Händen des Pfarrers und der Pfarrangehörigen, einer Immunität also,
dürfte schon 1389 anachronistisch geklungen haben, als unsere Region
bereits unter mächtigen Herrschaften aufgeteilt, und das Kirchspiel Zimmern
mit der ganzen Landvogtei dem Bischof von Straßburg verpfändet
war. Erstaunt stellt man allerdings fest, dass alle Waldordnungen, außer
der von Zimmern, Landes- oder Grundherren Privilegien einräumen. Im
Ulmhardt übten die Schauenburger die Waldvogtei aus, die Staufenberger
bestimmten als Forstherren über den nach ihnen benannten Hartwald,
und der Korker Waldbrief erkennt die Grafen von Lichtenberg ausdrücklich
als Bann- und Schirmherren an, wie sich der Einfluß auch ausgewirkt
haben mag.
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