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Im Namen der Hyazinthe
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möge" (Z 17). Die folgenden sechs Zeilen enthalten sehr präzise Angaben
zum Leben und Wirken des Verstorbenen (Z 18-23): Nach einem ungedeu-
teten A. R. (Verschreibung von FR. = Frater zu A. R.?) folgt mit R M. sein
höchster Titel, nämlich Provincialis Minister, das bedeutet oberster Vertreter
seiner franziskanischen Ordensprovinz, wahrscheinlich der oberdeutschen
(Straßburger) Minoritenprovinz. Zeile 18 nennt auch zum ersten Male
den vollen Namen des Bestatteten, „HYACINTHUS PFISTER, vom Orden
der Conventualen der Minderbrüder des Heiligen Franziskus", die als
seelsorgerische Barfüßer der Stadtgemeinden hier in Offenburg seit 1284
ihr großes Kloster unterhielten. Eine scheinbare Wiederholung ist die erneute
Nennung des Titels eines „ehemaligen Provinzials" (Z 19). In der
Zeile 20 wird mit „ Huiatis filius" (Huiatis als Genitiv zu Huias ist wahrscheinlich
eine Verschreibung von huius = dieses) sein Heimatkonvent genannt
, zu welchem die Mönche im Alter immer zurückkehrten, nämlich
hier nach Offenburg. Dem „Sohn dieses Konvents" folgt der Titel „Pater
der Provinz" (Z 21), was seine seelsorgerischen, pädagogischen und organisatorischen
Funktionen in der oberdeutschen Franziskanerprovinz bezeichnen
könnte. In den letzten beiden Zeilen dieser Kurzbiographie finden
wir in lateinischen Ziffern nun eine sehr genaue Angabe seiner Lebenszeit,
und zwar bezogen auf seinen oben genannten Tod, d. h. „gestorben im Jahre
1736 am 29.09. im Alter von 77 Jahren, zwei Monaten und zehn Tagen"
(Z 23). Der Todestag wird also einmal kalendarisch und einmal als Heiligentag
(Z 13) aufgeführt.
Zusammen mit dem R. I. P, „Requiescat in pace" (Z 24) haben wir jetzt
eine genau zu identifizierende Person vor Augen, die in den Angaben heutiger
Grabdaten einmal vorläufig lauten könnte:
HIER RUHT
HYACINTHUS PFISTER, OFMCon
geb. am 20. 07.1659 gest. am 29. 09.1736
RIP
Damit eröffnet die Grabinschrift dieses Klosterepitaphs einen Einblick in
das Dichten und Leben eines bedeutenden Offenburger Franziskanerpaters
der Barockzeit, der als Lehrer, Guardian (Klostervorsteher) und Ordens-
provinzial an verschiedenen Orten weit über Offenburg hinaus in schwerer
Zeit große Wirkung entfaltet hat: Kurz nach dem Ende des 30-jährigen
Krieges geboren hat er die Kapitulation und Besetzung des nahen Straß-
burgs (1681), die Schrecken der türkischen Belagerung von Wien (1683—
1699) und mit 30 Jahren den verheerenden Offenburger Stadtbrand im
Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) und danach noch den Spanischen
Erbfolgekrieg (1701-1714) z. T. hautnah miterlebt und überlebt. Kurz vor
dem Regierungsantritt von Maria Theresia und Friedrich dem Großen ist er
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