http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2008/0360
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Ulrich Coenen
Die kurze Zeitspanne von 1924 bis 1927 gilt als Boßlets expressionistische
Stilphase. Es entstanden Bauwerke mit Anklängen an die Gotik, die
dabei aber nur als Raumempfinden nicht aber in Bezug auf die Bauornamente
adaptiert wurde. Beispiele sind St. Marien in Ludwigshafen (1926),
St. Laurentius in Schifferstadt (1927) und St. Joseph in Aschaffenburg. Daneben
stehen an der Romanik orientierte, schon auf die 1930er-Jahre verweisenden
Kirchen wie die Herz-Jesu-Kirche in Ludwigshafen (1927).
Die dritte Periode im Werk Boßlets ist nicht unumstritten. Sie wird
durch monumentale Schöpfungen gekennzeichnet, in denen der Architekt
die Romanik neu interpretiert. Diese Bauwerke werden je nach Einschätzung
der Betrachter entweder als „Hochphase" oder als „konformistischer
Historismus" betrachtet. Dass Boßlet sich bewusst gegen die Formensprache
der Neuen Sachlichkeit entschied, wird ihm bis heute übel genommen.
Dabei darf man allerdings nicht übersehen, dass die in der Kunstwissenschaft
oftmals übliche Reduzierung der Architektur der Weimarer Republik
auf das Bauhaus zu einem grundsätzlich falschen Bild der Baukunst dieser
Zeit führt. Während die Avantgarde die Formensprache der Moderne entwickelte
, knüpften konservative Architekten - an der Spitze Wilhelm Kreis
und Paul Bonatz - an die Vorkriegszeit an. Ziel war eine repräsentative,
monumentale Architektur. Gegen Ende der 1920er-Jahre gab es eine Annäherung
zwischen Traditionalisten und Erneuerern. Historisierende Formen
auf der einen wurden ebenso reduziert wie die Stilisierung von Funktion
und Material auf der anderen Seite. Die konservativen Architekten übernahmen
Elemente der Avantgardisten, beispielsweise Flachdächer, Fensterbänder
oder Sichtbetonbauweise. Die Kunstdoktrin der Nationalsozialisten
beendete diese Entwicklung in Deutschland 1933.
Boßlets „Hochphase" begann bereits vor der Regierungsübernahme der
Nazis und hat mit ihr nur indirekt zu tun. Seine Hauptwerke der 1930er-
Jahre sind die Christus-König-Kirche in Hauenstein (1932), die Kirche St.
Ludwig in Frankenthal (1936) und vor allem die Abteikirche St. Salvator in
Münsterschwarzach (1936/37). Alle Bauten zeichnen sich durch kubische
Bauformen, äußere Schlichtheit und romanisierende Formen aus. Dass
Boßlets monumentale Architektur in die Zeit des NS-Staats passte, ist unstrittig
. Der Vorwurf, er habe sich bewusst den Idealen der nationalsozialistischen
Kunst angenähert, ist kaum nachvollziehbar.
Die Pfarrkirche Herz-Jesu
Die Pfarrkirche Herz-Jesu in Varnhalt hat in der Fachliteratur bislang wenig
Interesse gefunden. Das liegt vor allem daran, dass sie zum unterschätzen
Spätwerk Boßlets zu rechnen ist. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen
fehlt Herz-Jesu aber auch in den meisten Aufiistungen der Bauten, die
Boßlet nach 1945 errichtet hat.
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