Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 378
(PDF, 97 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2008/0378
378

Johannes Werner

trachtung sind, dass sie in den künstlerischen Schöpfungen die Inhalte
sucht und untersucht und zwischen ihnen und bestimmten wirtschaftlichen
Verhältnissen eine gerade Linie ziehen will. Das wirklich Soziale in der Literatur
aber ist: die Form."2 Diese Sätze schrieb, auf ungarisch, Georg Lu-
käcs im Jahre 1912 in seinem Vorwort zur „Entwicklungsgeschichte des
modernen Dramas". Wilhelm Hausenstein konnte diese Sätze nicht kennen
, als er 1911 sein Werk über den nackten Menschen „in der Kunst aller
Zeiten", 1913 über den nackten Menschen „in der Kunst aller Zeiten und
Völker" erscheinen ließ; aber er hatte sich sein Thema bewusst gesucht
und gewählt. „Wir brauchen ästhetische Motive, die so allgemeiner Natur
sind, dass sie sich zum sozialen Manifest nicht leicht eignen - auch nicht
in einem entgegengesetzten Sinn so speziell sind, dass sie die Auffindung
der sozialen Linie erschweren; Motive endlich, die in allen Zeiten kunstgeschichtlicher
Entwicklung in Ansehen standen und darum als klassische
Motive aller künstlerischen Kulturen gelten dürfen. Diese Motive sind die
Formen der nackten menschlichen Gestalt: die Formen des elementarsten
menschlichen Daseins. Mit dieser Wahl verbauen wir uns alle Möglichkeiten
einer Pseudoästhetik, die mit dem Stofflichen listet. Die Frage lautet
einfach: haben die Formen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen
Lebens auf die Darstellung der menschlichen Formen Einfluß?"3 Die Frage
zu stellen hieß für Hausenstein, sie zu bejahen, und sein Ja mit einem ungeheuren
Material zu untermauern. Man wurde auf ihn aufmerksam, vor
allem in der jungen Sowjetunion, wo Anatoli Lunacarskij, der Volkskommissar
für das Bildungswesen, ihn von 1923 an in mehreren Veröffentlichungen
vorstellte und ihm auch den Auftrag gab, für die Sowjetenzyklopädie
den Artikel übers Barock zu verfassen. In der Zeitschrift des Kulturministeriums
schrieb 1926 der Kunsthistoriker Vladimir Fedorov: „Wilhelm
Hausenstein ist der wichtigste und beinahe einzige Vertreter der zeitgenössischen
marxistischen Ästhetik."4

Doch auch der unmittelbaren Gegenwart wandte Hausenstein sich zu:
nämlich als Kunstkritiker in unzähligen Beiträgen für Zeitungen, Zeitschriften
, Jahrbücher und wiederum mit Monographien über den Expressionismus
, über Albert Weisgerber, Rudolf Großmann, Max Unold, Lovis
Corinth, Rene Beeh - und Paul Klee; diese ist nicht nur die schönste, sondern
auch die wichtigste, weil sie den Künstler bekannt, ja berühmt machte
. Rainer Maria Rilke schickte das Buch an Baladine Klossowska, und
zwar weniger wegen Klee als vielmehr wegen Hausenstein: „Car sa manie-
re de voir est tres spirituelle et parfois amüsante"5; und Herbert Read fand
noch nach 25 Jahren, es bleibe „in many respects the most complete and
understanding account of the painter and his work"6.

Freilich war Hausenstein alles andere als ein Stubenhocker oder Stubengelehrter
, als ein Hieronymus im Gehäus. „Wer den Dichter will verstehen
, / Muß in Dichters Lande gehen."7 Goethes Wort gilt aber nicht nur


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2008/0378