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Christel Seidensticker
Moritz beauftragt mich, da er selbst zu sehr in Anspruch genommen
ist, Dir über sein neustes Unternehmen das Wichtigste mit-
zutheilen. Er hat vor einigen Tagen die Silbermanns che Druckerei
mit dem Verlage des niederrheinischen Kurier in Strasburg
übernommen, es ist dies in jeder Hinsicht ein sehr bedeutendes
Unternehmen. Moritz will den Strasburgern und Elsässern eine
gute deutsche Gesinnung beibringen und die Idee findet vielen
Anklang. (31.10.1870)
Kaum Aufregung über den bevorstehenden Prozess, der Termin zog sich
hin. Dem Verbot im Großherzogtum Baden folgten Verbote in weiteren
Ländern. In Preußen wird er wie in Hessen noch etliche Jahre und in Bayern
bis in die Neunzigerjahre verboten sein. In Halle wird die Vernichtung
der vorrätigen Exemplare gerichtlich angeordnet. In Österreich wurde das
Verbot erst 1902 aufgehoben, und auch in Russland galt ein Verbot noch
Jahrzehnte.
Geärgert hat sich Schauenburg aber dann doch, als er erfuhr, dass in den
USA der New Yorker Verleger Lesley schon im Juli 1870 einen billigen
Nachdruck hergestellt und zu einem geringen Preis auf den amerikanischen
Markt gebracht hatte. Schauenburg wandte sich an Dr. Friedrich
Friedrich vom deutschen Schriftstellerverein. Aus dessen Antwortbrief
vom 13.7.1870 geht hervor, dass Schauenburg dem amerikanischen Verleger
Lesley ein frischgedrucktes Exemplar zugesandt hatte. Dr. Friedrich
riet ihm zum Prozess, aber auch dazu:
Veröffentlichen Sie doch Leslys Gaunerstreich in den New Yorker
Blättern, außerdem in der Gartenlaube und auch im Literarischen
Verkehr... Übrigens wird, je mehr Sie denselben veröffentlichen
, das Buch gekauft werden.
Die Tatsache, dass in den USA das Nachdrucken von Büchern durch ein
Gesetz erlaubt war, war sowohl Dr. Friedrich und auch dem Verleger zwar
bekannt, aber, so Friedrich, bei einem etwaigen Prozess müsse nachgewiesen
werden, dass Lesley tatsächlich das ihm übersandte Exemplar verwendet
hat.
Zu einem Geniestreich besonderer Art holte Schauenburg dann doch
noch aus, auch auf die Gefahr hin, dass dieser ihm im Prozess gefährlich
werden könnte. Durfte er schon nicht im Großherzogtum Baden drucken
und verbreiten, so doch auf neutralem Boden. Ab Ende Oktober veröffentlichte
er Text und Bild zum Antonius in mehreren Folgen in seiner „Dorfzeitung
des Lahrer Hinkenden Boten". Gedruckt wurde das Blatt zu diesem
Zeitpunkt schon in Straßburg, also nicht in Baden. Die Buschliebhaber
und die Liebhaber kirchenfeindlicher Inhalte konnten ohne große Mühe
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