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Friedel Scheer-Nahor
Als am 9./10. November 1938
überall in Deutschland die Synagogen
brannten, war Inge Auerbacher
knapp vier Jahre alt. Ihre Großeltern
aus Jebenhausen waren gerade zu
Besuch in Kippenheim und mussten
zusammen mit der Familie erleben,
wie an jüdischen Häusern Fenster
eingeworfen und jüdische Bürger bedroht
wurden. Vater und Großvater
wurden, wie alle anderen jüdischen
Männer, die älter als 17 Jahre waren,
nach Dachau ins Konzentrationslager
gebracht. Von dort kehrten sie
nach einigen Wochen zurück. Der
Großvater war von der Demütigung
stark gezeichnet und starb kurze Zeit
später. Zuvor noch verkauften Inges
Inge Auerbacher Eltern das Haus in Kippenheim und
zogen zu den Großeltern nach Jebenhausen
.
An Jebenhausen hat Inge Auerbacher gute Erinnerungen. Freundschaften
zu christlichen Kindern waren problemlos möglich, eine christliche Bedienstete
hatte ihnen auch in Zeiten der wachsenden Distanz die Treue gehalten
und die Familie mit Nahrungsmitteln versorgt.
Verschiedene herausragende Details aus dieser Zeit sind Inge Auerbacher
noch in guter Erinnerung. So denkt sie gerne an die Backtage, von denen
sie in dem diesem Aufsatz zugrundeliegenden Interview am 12. Mai
2006 erzählte: Am Freitag hammer immer Mohnkuchen ghabt un Kartoffel-
supp. Freitag am Tag.4 D Oma hat immer viel gebacken. Da war so ne kleine
Bäckerei ... Un da hat man immer ... Kuchen ... dort gebacken, die hat
man nicht zuhaus gebacken. Man hatf nicht die Gelegenheit, net? Da hab
ich immer gholfen die Kuchen un die Berches zum Bäcker runterbringen,
zum Backofen - war ja früher so. Na hab ich immer so ein kleines Blechle
ghabt, wie mei Mutter auch ghabt hat, - mein eigener Kuchen.
Zur Schule musste Inge Auerbacher kurz nach ihrer Einschulung in eine
eigens für jüdische Kinder bestimmte Schule nach Stuttgart. Dazu war sie
gezwungen, erst einmal die drei Kilometer nach Göppingen zu Fuß zu gehen
, um von dort mit dem Zug nach Stuttgart fahren zu können. Der Umstand
, dass sie, wie alle Menschen jüdischer Abstammung ab 1941 den
gelben Judenstern tragen musste, ließ nicht nur die Ängste der Eltern, die
die Sechsjährige der Gefahr willkürlicher Aggression gegen Juden ausgesetzt
sahen, wachsen.
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