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Neue Literatur
Caroli, Walter / Caroli, Heinrich: lieb
vndt leid theilen. Die Carolis in fünf
Jahrhunderten. Ein Beitrag zur Lahrer
Stadtgeschichte. Lahr, 2008, 468 S., viele
Abb.
Eine beispielhafte Familienchronik
und zugleich eine Ortenauer Kultur- und
Geistesgeschichte! Allein schon das historische
Bildmaterial und die zahlreichen
Faksimiles, Briefköpfe und Handschriften
machen das Buch zur interessanten Quelle
. Doch sind es vor allem die fundierten
Archivrecherchen und kompetent geschriebenen
Kommentare, die einem die
500-Jahre Genealogie der Familie Caroli
zum Leseerlebnis werden lassen. Überraschende
Funde sind auch dem Kundigen
anzuzeigen, etwa die Existenz zahlreicher
Krankenakten der Tötungsanstalt Grafeneck
im Bundesarchiv in Berlin. Damit beginnt
das Werk: mit der Lebensgeschichte
von Elfriede Caroli (1909-1940), die im
Rahmen der Euthanasie-Morde getötet
wurde. 2006 setzte ihr der Künstler Gunter
Demnig im Beisein der Familie Caroli
einen „Stolperstein" vor ihrem Lahrer
Wohnhaus. Als Mahnung für Menschlichkeit
, Gerechtigkeit und Demokratie haben
die Autoren diesen Einstieg in die Geschichte
gewählt, die im folgenden weitere
zahlreiche und überraschende Funde
und Themen bietet. Den Lahrer Zweig der
Caroli begründete 1650 der Pfarrer an der
evangelischen Stiftskirche, Christoph Caroli
. Zuvor war er mitten im Krieg ab
1641 Feldprediger in Benfeld gewesen.
Visitationsakten, Predigttexte und andere
Dokumente machen gerade diesen Teil
zur spannenden Lektüre, und nicht nur,
weil aus einer Predigt des unbeugsamen
Pfarrers zitiert wird, „dass Fürsten und
Herren die Untertanen so beschweren,
dass jeder Winkel und jedes Scheißhaus
Steuern zahlen müsse." Pfarrer Carolis
Lahrer Zeit ist auch die Zeit Grimmelshausens
- vielleicht lassen sich aus den
Dokumenten über den Pfarrer auch weitere
Schlüsse zum Gaisbacher Wirt ziehen?
Der Obrist Hans Reinhart von Schauenburg
tritt jedenfalls auf in einer der sittenstrengen
Prdigten Carolis gegen die Fasnachtsauferei
. Das hervorragend ausgestattete
Werk sei also nicht nur den Lahrer
Geschichtsfreunden dringend zu Genuss
und Studium empfohlen!
Martin Ruch
Coenen, Ulrich: Von Aquae bis Baden-
Baden. Die Baugeschichte der Stadt
und ihr Beitrag zur Entwicklung der
Kurarchitektur. Herausgegeben mit
Unterstützung der Stadt Baden-Baden.
Mainz, 2008. 680 S., rund 440 Abb.
Eine wissenschaftliche Lücke schließt
der Bauhistoriker Ulrich Coenen mit diesem
Werk. Eine zusammenfassende Baugeschichte
der bekannten Kurstadt - im
19. Jahrhundert „Weltbad" - gab es bislang
noch nicht. Ulrich Coenen hat nun
die Baugeschichte Baden-Badens von den
römischen Ursprüngen bis zu zeitgenössischen
Bauten wie dem aufsehenerregenden
Museum Frieder Burda von Stararchitekt
Richard Meier aufgearbeitet. Das
680 Seiten starke Buch entstand in einem
Zeitraum von rund acht Jahren, das Studium
des umfangreichen Quellenmaterials
in vielen Archiven gehörte für den
Autor ebenso dazu wie Exkursionen, die
ihn in bekannte Kur- und Badeorte in Europa
führten. Daraus resultiert auch die
Wertigkeit der Publikation, denn sie betrachtet
die Baugeschichte Baden-Badens
nicht isoliert, sondern versucht sie in einen
europäischen Zusammenhang zu stellen
: Welche Impulse beeinllussten die Architektur
der Kur- und Residenzstadt, was
strahlte von Baden-Baden aus. Damit
schafft das Buch den Spagat, „mehreren
Herren" gleichzeitig zu dienen: dem
interessierten Laien wie dem Wissenschaftler
. Mit großer Fachkenntnis und
vor allem mit der notwenigen, kritischen
Distanz beleuchtet der promovierte Bauhistoriker
Coenen die Entwicklung der
Kurstadt und scheut sich nicht, die Bau-
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