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Neue Literatur
sene Händlerfamilie Vogt, (Gerloff, Jet-
schmanegg, Kruse) werden in Einzelporträts
vorgestellt. Als besonderes Dokument
jüdischer Geschichte der Ortenau erweist
sich die Familiengeschichte der
Kaufmann, die Kaulleute aus Lichtenau
und Unternehmer in Kehl waren. Wertvolles
Bildmaterial und wichtige autobiographische
Aufzeichnungen von Martin
Kaufmann enthält dieser Text. Während
einem Familienzweig 1936 die Auswanderung
nach Palästina gelang, endeten die
Lebensläufe anderer Angehöriger der Familie
in der Schoah.
Martin Ruch
Werner, Johannes: „Unter dem breiten
Dach des Hauses am Markte". Brechts
„unwürdige Greisin" in Achern. Marbach
, 2007,16 S., Abb.
In der Reihe „Spuren" des Deutschen
Literaturarchivs Marbach ist diese Broschüre
einer Erzählung von Bertolt Brecht
über dessen Acherner Großmutter Karoline
gewidmet. Diese habe, so der Inhalt
des Textes von 1939, erst nach dem Tod
ihres Mannes ein eigenständiges Leben
begonnen, das ihr scheinbar zuvor so
nicht möglich gewesen war. In der Hauptstraße
Acherns hatte die Familie Brecht
eine Lithographische Anstalt erfolgreich
betrieben im ältesten Haus der Stadt, wo
der junge Bert Brecht Ferientage zubrachte
. Werner stellt nun heraus, daß Brecht in
seine Großmutter einiges projizierte, was
der Wahrheit nicht ganz entsprochen hat.
Werner hat etwa Figuren der Geschichte
in ihrem realen Leben identifizieren können
. Fotografien und Achern-Ansichten
ergänzen das schmale Heft sinnvoll, das
zudem einen schönen Text mit Ferienerinnerungen
von Walter Brecht, dem Bruder
des Dichters, enthält: Er schildert darin
den Blick von der Hornisgrinde bis zum
Straßburger Münster und bringt damit, beabsichtigt
oder nicht, Grimmelshausen
und dessen berühmten Blick von der
Moos ins literarische Spiel.
Martin Ruch
Böhme, Rolf: Orte der Erinnerung.
Vom Umgang mit dem Holocaust in einer
deutschen Stadt nach 1945. Freiburg
, 2007,128 S., 16 Abb.
20 Jahre war Rolf Böhme Oberbürgermeister
in Freiburg. Intensiv hat er sich
während dieser Zeit um die Aussöhnung
mit den jüdischen Mitbürgern bemüht und
über die dabei gemachten Erfahrungen
nun ein persönliches Buch geschrieben.
Im Jahr 1925 lebten 1399 Juden in Freiburg
, 1942 kein einziger mehr. 1985, als
man den ersten Spatenstich zur neuen
Synagoge im Schatten des Münsters ausführte
, lud die Stadt alle ehemaligen jüdischen
Bürger zu diesem Anlaß ein. 26
Personen nahmen die Einladung an und
mit ihnen ergaben sich in den folgenden
Jahren zahlreiche offizielle wie private
Begegnungen. „Die Erinnerung an den
Holocaust darf nicht in den Gedenktafeln
versteinern", so Böhme über seine Einstellung
. In vielen Städten Deutschlands
wurden ab den siebziger Jahren, manchmal
früher, manchmal später, ähnliche Initiativen
gestartet. Sie gehören heute zur
Geschichte der Kommunen hinzu und die
Geschichtsschreibung sollte sich ihrer
bald annehmen, denn noch leben schließlich
die treibenden Kräfte und Zeitzeugen.
Böhme hat hier als Anregung ein exemplarisches
Buch an den Anfang gesetzt.
Martin Ruch
Lehmann, Heinrich (Hrsg.): Heinrich
Hansjakob. Freiburger Erinnerungen.
Freiburg: Hansjakob-Gesellschaft,
2007, 96 S., viele Abb.
Schon im Alter von 10 Jahren hatte
Hansjakob für einige Monate die „bessere
" Schule in Freiburg besucht: „Mein
Herz freute sich, denn Freiburg war für
mich damals ein Weltwunder." Zum Studium
kam er erneut nach Freiburg und
schließlich war er ab 1884 über 30 Jahre
Pfarrer in St. Martin. Heinrich Lehmann,
der Vorsitzende der Hansjakob-Gesellschaft
, hat aus des Pfarrers Schriften die
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