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Berichte der Fachgruppen
609
Fachgruppe Wandmalerei
Nachdem die Exkursionen 2003-2005 die Kirchen des Kinzigtals und der Gegend von Lahr
zum Ziel hatten, ging es 2007 ins Hanauerland, in die Region um Kehl am Rhein, gegenüber
von Straßburg. Unser Programm für Samstag, den 21.4.2007, schloss den Besuch von
4 Kirchen ein, die normalerweise nicht oder nur manchmal zugänglich sind. Die Fresken
wurden wie gewohnt zur Betrachtung mit Tageslichtlampen ausgeleuchtet. Betrachtungen
zu Aufbau und Technik der Wandmalereien in den Kirchen wurden von Regine Dendler
und Bernhard Wink angestellt.
Die evangelische Pfarrkirche in Leutesheim ist eine Chorturmkirche. Erstmals erwähnt
1434, jedoch mit älterem Chorturm, wurde das Kirchenschiff 1760 vollständig erneuert.
1979 wurden am Chorbogen des Chorturms Wandmalereien entdeckt. Die romanischen
Malereifragmente, die laut bearbeitendem Restaurator Horst Leyendecker älter als der frühgotische
Chorbogen sind, wurden als Fragmente einer Kreuzigungsszene interpretiert. 1989
wurden die Fragmente als Teil eines Weltgerichts erkannt. Die Balkenfragmente zwischen
der südlichen erhobenen Hand und dem Kopf Christi mit dem Strahlennimbus konnten als
Schwert befundet werden, nach Offenbarung 1,16 „und aus seinem Mund ging ein scharfes,
zweischneidiges Schwert". Nun wurden auch die Fragmente nahe der nördlichen Hand
Christi als Schwert interpretiert mit der Begründung, der mittelalterliche Maler wolle durch
die Darstellung zweier Schwerter die Zweischneidigkeit des Schwertes aus dem Mund
Christi darstellen. Im Gegensatz zu heute, wo wir mit diesen Gegenständen im Allgemeinen
weniger zu tun haben, waren damals einschneidige und zweischneidige Schneidewerkzeuge
in Art und Funktion Alltagsgegenstände und auch die Rolle Christi als Weltenrichter war
den Menschen in existenziellem Sinne wohl näher und wichtiger als heute. Dem Richtschwert
des Weltenrichters als Zeichen der Gerechtigkeit ist die Lilie als Zeichen göttlicher
Gnade beigeordnet. Es ist die Frage zu stellen, ob die Fragmente zwischen Mund und nördlicher
Hand Christi nicht zu einem Lilienstengel gehören. An der entscheidenden Stelle nahe
der Hand befindet sich eine größere Fehlstelle. Den romanischen Malereien überlagern
sich weitere Malschichten. Einem schmalen frühgotischen Fries überlagert sich ein weiterer
Fries mit lloralen Motiven und eine Kreuzigungsgruppe aus der Renaissance. Eine barocke
Konsole belegt die Verbauung des Chors durch eine Empore beim Umbau der Kirche in eine
evangelische Predigerkirche. Erst 1952 wurde der Chorraum wieder geöffnet.
Auch die evangelische Pfarrkirche St. Vincentius in Linx ist eine Chorturmkirche, vermutlich
des 13. Jahrhunderts. Eine dendrochronologische Datierung des Gebälks im unteren
ältesten Teil des Turms ergab als Fälldatum der verwendeten Bäume das Jahr 1338. Archäologische
Untersuchungen 1969 anlässlich des Baus einer Heizungsanlage ergaben einen
Vorgängerbau aus dem 8./9. Jahrhundert. Nach Jahreszahlen über den Eingangstüren
wurde das Langhaus 1619 neu errichtet. Die Wandmalereien im Chor wurden 1970 von
Horst Leyendecker freigelegt. Sie sind nach den Befunden der letzten Restaurierung 2003
sehr vielschichtig und umfassen bis zu 9 übereinanderliegende Farbschichten. Die Apostelfiguren
der Chorwände und eine kleine mit Arabesken ausgemalte Nische der Nordwand
stammen aus dem 14. Jahrhundert. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts werden die Wand-
llächen mit Szenen und Feldereinteilungen in Gelb und Braun überlagert. Hiervon sind fast
nur noch die Feldereinteilungen erkennbar. Ranken im Südfenster wurden vermutlich im
16. Jahrhundert hinzugefügt. Aus der Erbauungszeit des Langhauses 1619 stammt das Sakramentshäuschen
an der Nordwand, das in barocker Zeit wieder abgeschlagen wurde. Ein
heute wieder entferntes Kreuzgratgewölbe steht im Zusammenhang mit einem flächigen
Neuverputz des Chors und figürlichen Darstellungen in den Schildbögen. Es wird sehr
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