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Kurt Spitzmüller
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Reisekasse und um im Landkreis Wolfach überhaupt etwas Leichtathletik
anzubieten, wollten die Nordracher Leichtathleten selbst ein Sportfest veranstalten
. Dieses sollte erstmals am 4. und 5. Mai 1947 stattfinden. Als
„Startgeld" wurde den Teilnehmern freie Übernachtung und freie Verpflegung
versprochen. Einen Sportplatz mit Leichtathletikanlagen besaß
Nordrach zwar nicht, aber man ließ sich etwas einfallen: Für den 100- und
den 200-Meter-Lauf wurde einfach die Dorf Straße gesperrt und präpariert.
Eine leichte Steigung auf dieser Straße wurde durch eine kleine Verkürzung
der Strecke um zwei Meter ausgeglichen. Für die Langstreckenläufe
legte man eine improvisierte 260-Meter-Rundbahn durch den Kurpark an.
Um dabei den Läufern gute Verhältnisse zu bieten, mussten die Schüler
säckeweise Tannennadeln sammeln und anschließend mehrere Zentimeter
dick auf die Parkwege streuen („Sehr viel später sagte man, die erste Tartanbahn
hätte Nordrach, denn auf den Tannennadeln lief man weich").
Auf dem Schulhof hinter der Kirche wurden Weit- und Hochsprunggruben
sowie eine Wurfanlage ausgehoben. Außerdem stand ein „Berglauf" über
4000 Meter in Richtung Mühlstein auf dem Programm, der mit einer rund
18-prozentigen Steigung und der Überwindung von 100 Metern Höhenunterschied
für die Läufer eine besondere Herausforderung bedeutete.
Anfang Mai reisten somit zahlreiche Sportler aus nah und fern zum
„Sportfest ohne Sportplatz" ins Nordrachtal. Kurt Spitzmüller berichtet
von der Ankunft der Sportler: „Sie reisten häufig mit Lastwagen an, die
noch Holzvergaser hatten. Jeder Fahrgast musste als Fahrgeld brennbares
Holz mitbringen." Für die hungrigen Läufer, Springer und Werfer war die
Aussicht, ohne Bezugsschein an Speck, Most, Mehl, Brot und Schmalz zu
kommen, die Reise allemal wert. Auch die Siegerpreise waren sehr verlockend
: Anstelle von Pokalen winkten zwei Buttercremetorten für den 1.
Platz, ein Paar Bratwürste für den 2. Platz und Most für den 3. Platz eines
Wettbewerbs. Diese süßen Siegerpreise wurden häufig an Ort und Stelle
mit den Sportskameraden geteilt und brachten dem Leichtathletikspektakel
bald den Beinamen „Buttercreme-Sportfest" ein. Kurt Spitzmüller erinnert
sich: „Das erste Sportfest wäre beinahe schiefgelaufen. Als die
Sprinter die mickrige Dorf Straße im strömenden Regen erblickten, wollten
sie kneifen. Aber der ebenfalls gemeldete Doppel-Europa-Meister von
1938, Jakob Scheuring, erklärte: ,Für zwei Buttercremetorten laufe ich die
100 und die 200 Meter auch allein!'". Damit war das Eis gebrochen. Das
erste Nordracher Sportfest wurde ein voller Erfolg.
In den folgenden Jahren nahm das Interesse am Maisportfest weiter zu
und lockte nicht nur Spitzenathleten aus Südbaden, sondern auch aus ganz
Deutschland ins Nordrachtal. Da das Maisportfest das erste größere Sportfest
im Wettkampfjahr war, nutzten es die Sportler gerne für eine frühe
Prüfung ihrer Wettkampfform. Das Sportfest hatte sich bei den Athleten
wegen seiner familiären Atmosphäre und den ausgeschriebenen Sieges-
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