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Gertrude Siefke
damals ein Glückwunschtelegramm. Zuvor gelangen ihr hervorragende Ergebnisse
bei den Badischen und Deutschen Meisterschaften. Doch der
Sport war nicht das Ein und Alles. Mit dem Reifezeugnis in der Hand be-
schloss die 18-Jährige, in Hohenheim Agrarwissenschaften zu studieren.
Es sollte sich lediglich um eine Stippvisite handeln. Nach einem Semester
reichte es ihr: „Das war ein völlig anonymer Laden." Ellen Mundinger
sehnte sich nach einem Klassenverband und stellte sich zudem die Frage,
was sie als Landwirtin später machen sollte? Denn es zeichnete sich bereits
ab, dass diese Tätigkeit mit Idylle und Naturnähe nur noch wenig zu tun
haben wird. Profitmaximierung war ein Stichwort, das damals die Runde
machte: „Es war ein knallhartes Geschäft." Ellen Mundinger war unschlüssig
. Wie sollte es weitergehen? Auch wenn es sich aufdrängte: „Ich wollte
nicht Sport studieren, weil ich mein Leben nicht in Sporthallen fristen
wollte." Es kam anders. Auf einem Flug nach Göteborg saß sie neben
Leichtathletik-Nationaltrainer Klaus Schwanbeck, der ihr von Mainz vorschwärmte
. Sie kannte Kollegen, die ebenfalls in der Buchdruckerstadt studierten
, es war „ein vertrautes Feld". Und so war der Entschluss rasch ge-
fasst. Es sollte dann doch Sport sein, Sport und Erdkunde, nachdem ihr
Bruder von einem Studium des Lieblingsfachs Mathematik abgeraten hatte
. „Zu theoretisch", meinte der studierte Informatiker. Die jüngere
Schwester nahm den Rat an.
Seit 1975 war Ellen Mundinger Mitglied beim USC (Universitätssportclub
) Mainz. Sie schaffte den Sprung über die 1,84. Doch dann verletzte
sie sich, nachdem sie bereits im Jahr zuvor zwei Monate wegen eines Knöchelanbruchs
hatte pausieren müssen. Der Ermüdungsbruch am Kahnbein
empfand sie als Warnschuss. Zunächst wusste niemand so recht, woran die
Sportlerin da laborierte, inzwischen gilt diese Fraktur als anerkannte
Springerkrankheit. „Ich hatte das Gefühl, der Fuß teilt sich auf." Sie wurde
operiert, nach einem Jahr ging es wieder. Doch Ellen Mundinger war vorsichtig
geworden: „Für mich war klar: Ich möchte meine Knochen noch
60, 70 Jahre brauchen." Da wollte sie nichts riskieren. Aus dem Stand
sprang sie zwar 1,75 Meter - und bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften
in Göttingen gelang ihr 1980 der Sprung über 1,89 Meter. „Ellen
Mundinger schockte alle"4, hieß es damals in der Presse. Diese Höhe bedeutete
persönliche Bestleistung und zugleich europäische Spitzenklasse:
„Ja, was man gelernt hat, das verlernt man auch in den Jahren nicht", sagte
sie damals. Für ihren Entdecker Hannes Veit war es „eine späte Genugtuung
für jahrelange, gezielte Arbeit". Trotzdem war der Hochsprung in ihrem
Leben nicht mehr vorrangig. Einfach nett sei das Springen gewesen -
nicht mehr und nicht weniger.
Im Winter 1980 machte Ellen Mundinger ihr Examen. Bei der Universiade
, den Weltsportspielen der Studenten, in Bukarest 1981 lernte sie ihren
späteren Mann kennen, den damaligen Arzt des Leichtathletiknational-
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