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Turnlehrer Baumann
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Turner unter schwarz-rot-goldenen Fahnen, Gesängen und Fanfaren. Die
von allen mitgetragene Begeisterung der Turner resultierte aus dem freiheitlichen
Geist dieser vorrevolutionären Aufbruchszeit, einem neuen körperlichen
Selbstwertgefühl und dem fröhlichen Gemeinschaftsgeist im
Verein, kurz, dem Lebensgefühl einer neuen Zeit, das 1848/49 auch politisch
wirksam werden sollte.
In den politischen Auseinandersetzungen des Vormärz hatte Karl Baumann
, der neben dem Direktor Gebhard Gagg als bester Lehrer des Gymnasiums
rangierte, gerade im unruhigen Vorrevolutionsjahr 1846 bei mehreren
Aktionen deutlich seine Sympathien für die Ziele der entschiedenen
Liberalen öffentlich bekundet. Er war zusammen mit drei seiner Kollegen
Mitunterzeichner der Pro-Zittel-Petition für Religionsfreiheit. Sie hatte die
Kluft zwischen den liberalen „Radikalen" und der konservativen „Rückschrittspartei
" in der Stadt erheblich vertieft und führte jetzt bei den Ur-
wahlen zum Gemeinderat zu einem der aufwühlendsten Wahlkämpfe der
Zeit, der das ganze Land auf Offenburgs Votum blicken ließ. Die folgenschwere
Entscheidung sollte am 6. März ausgerechnet im Gymnasiumsviertel
fallen. Nach Gaggs Aufzeichnungen mussten vor den Schulwohnungen
und in der gesamten Gymnasiumsstraße die Anwohner schon vor
Tagesanbruch massive Wahlbeeinflussungen mit geballter Faust abwehren
.14 Die für Offenburg ziemlich sensationelle Entscheidung legte bis zum
Abb. 10: Der Autor in seiner Turnerriege vom TG 46 beim Turnfest in Göttingen
1949
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