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Cornelius Gorka
Massenquartieren zur Verfügung. Dafür wurden erneut die Schulen und die
großen Wirtschaftsäle zur Verfügung gestellt. Während die Männer 1926
noch auf Strohsäcken nächtigen mussten, durften die Frauen nun auf Feldbetten
mit Matratzen ruhen.42 Für jede Teilnehmerin stand eine Schlafstelle
bereit. Und wenn nicht, so wurde unkompliziert geholfen: Als einige Turnerinnen
sich nach der Ankunft am Samstagabend hilfesuchend an die Polizei
wandten, wurden sie kurzerhand im Bezirksamt einquartiert!
Trotz der wirtschaftlichen Not kamen fast 3.000 Turnerinnen mit
Sonderzügen nach Offenburg. Das Fest begann am Freitagabend mit einem
Fackelzug der Offenburger Turnvereine und der bereits anwesenden Turnerinnen
durch die Stadt. Danach wurde das Landesfrauenturnfest mit dem
Festspiel „Deutsche Frauen dem Vaterland" von August Boos eröffnet.43
Am Samstag fanden bei bestem Wetter die Einzelwettkämpfe statt. Vor
8.000 Zuschauern zeigten die Turnerinnen bei den Wettbewerben im Gerätturnen
, in der Leichtathletik, in der Gymnastik, im Fechten und im
Schwimmen ihr sportliches Können. Wie bereits 1926 kam auch diesmal
bei den leichtathletischen Läufen eine elektrische Zeitmessung zum Einsatz
. Der Tag klang dann mit einem Gemeinschaftsabend in den Festhallen
aus.
Der Sonntagvormittag stand im Zeichen der Vereins wettkämpfe. Am
Nachmittag bildeten etwa 3.000 Turnerinnen einen Festzug, der sich von
der Ihlenfeldkaserne durch die festlich geschmückte Stadt bis zum Festplatz
bewegte. Das Programm war ähnlich wie in Gaggenau: Auf Vorführungen
der Volkstänze folgten Staffelläufe sowie das Endspiel im Trommelball
; letzteres fand allerdings nur geringes Zuschauerinteresse. Abschließender
Höhepunkt des Festes waren die allgemeinen Keulenübungen
der Turnerinnen, ähnlich den allgemeinen Freiübungen der Männer. Das
Landesfrauenturnen endete mit den Siegerehrungen44 und der anschließenden
Abreise der meisten Teilnehmerinnen. Wer noch länger bleiben wollte,
konnte noch am Unterhaltungsabend in der Festhalle und am Montag noch
an einer Wanderung zum Turnerheim Brandeck-Lindle teilnehmen. Das
gesamte Sportereignis hat Paul Stober in einem Film dokumentiert45
Das Landesfrauenturnfest unterstrich erneut den Aufschwung und die
wachsende Bedeutung des Frauenturnens in Baden. Dem entsprach auch
der Besuch von Vertretern der Landesturnbünde Württemberg, Bayern und
Sachsen sowie von Vertretern der Regierung, des Bezirksamts und der
Stadt Offenburg. Auch verschiedene Sportverbände und zahlreiche Sportärzte
beobachteten das Turnfest46
Die Organisatoren waren am Ende ziemlich erleichtert, denn eine Notverordnung
des Reiches über das Demonstrationsverbot hatte zunächst
verschiedene Einschränkungen bezüglich des Festzuges, der Bannerübergabe
und anderer Feierlichkeiten mit sich gebracht47 Durch die Lockerung
der Notverordnung war es aber dann möglich geworden, die seit Monaten
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