Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 279
(PDF, 101 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2009/0279
Steinbach, das Stadtrechtsprivileg von 1258 und die Markgrafen von Baden

279

das ängstliche Bemühen der Herrschaft bloß, ihre Rechte bis zur letzten
Kornabgabe zu wahren, und die Prozessakten führen unbeabsichtigt direkt
in die realen Nöte und Reibereien einer kleinen, einer Mikro-Gesellschaft
hinein. Mikrogeschichte ist es denn auch, die wir vor allem aus diesen
Quellen herausarbeiten können. Mein persönliches Vorbild für diese Art,
sich städtischer Sozialgeschichte zu nähern, ist ein Klassiker der französischen
Historiographie, die Untersuchung des Karnevals in Romans von
Emanuel Le Roy Ladurie (1979). Er greift zwei Jahre einer südfranzösischen
Kleinstadt am Ende des 16. Jahrhunderts heraus, dramatische Jahre,
die in Gewalt enden. Gegenstand ist aber weniger der blutige Schlussakt,
sondern sind die Lebensverhältnisse, die Sozialstrukturen und die Äußerungsformen
der verschiedenen städtischen Schichten in ihren Stadtquartieren
. In Steinbach erleben wir keinen dramatischen Moment wie die Karnevalsexzesse
in Romans, aber auch hier gibt es lang eingeschliffene Verhalten
der einen und der anderen, der Gruppen, die nicht so sehr durch
Reichtum und Armut als vielmehr durch Rechtsungleichheit geschieden
sind. So entzünden sich Konflikte vor allem an Fragen der Gleichbehandlung
, der Gerechtigkeit; es geht meist um die Verteilung der Lasten, nicht
so sehr um deren Minderung.

Wie in Romans ist auch in Steinbach der Adel privilegiert. In Romans
bedeutet die völlige adlige Abgabenfreiheit, dass ein Adliger durch den Erwerb
von Grund diesen der Steuerpflicht entziehen kann; dadurch wächst
automatisch die Steuerlast der Bürgerlichen, selbst wenn sie von der Herrschaft
nominell nicht erhöht wird. In Steinbach liegen die Verhältnisse
wieder etwas anders. Ganz abgabenfrei ist der Adel nicht, auch er zahlt
Hausstättenzins, ist aber frei von aller Fron. Da diese Freiheit „mitwandert
", hat auch die Herrschaft Interesse daran, dass hier nicht zu viele Freiräume
entstehen, und verbietet 1550 den Güterverkauf an Adlige ohne Genehmigung
. Der Amtmann schätzt die Lage jetzt aber schon dramatisch
ein: und wie woll schier das halbtheü des stätlins denen vom Adel schon
ist, befind ich doch in erfarung, dass die Eptissin von Beurn die scheuer im
stätlin Steinbach gelegen, auch den Edelleutten zu khauffen geben will ...
So dan die vom Adel das gantz stattlin an sich bringen ...n Ob er übertreibt
? Der Zugang zur großen Scheuer am Ort ist für die Bürger offenbar
besonders wichtig, darauf weist der Amtmann auf der Rückseite seines Berichts
an die Herrschaft noch einmal eigens hin. Unklar bleibt, was sich an
der Nutzung der Scheuer ändert, wenn Kloster Lichtenthai sie an den ortsansässigen
Adel verkauft. Das Thema „Adel in der Stadt" will ich hier aber
ausklammern, so wichtig es ist. Bei der Ungleichbehandlung soll es uns
vor allem um die Fronleistungen gehen. Der Adel ist davon, wie gesagt,
befreit, die Amtleute - soll heißen: die Bediensteten der Herrschaft - leisten
nur „einfache Fron". Die übrigen trifft die Wucht der Fronforderungen
mit aller Härte und wer sich ihnen entziehen kann - etwa durch den Hin-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2009/0279